Olympos
über
Der Damen Lippen, die von Küssen träumen,
Doch plagt die zornige Mab sie auch mit Bläschen …
… und so weiter und so fort«, schloss Mahnmut.
»Und so weiter und so fort«, wiederholte Dr. phil. Thomas H o ckenberry. Olympus Mons, der Olympos der Götter, füllte sämtl i che vorderen Fenster. Mahnmut zufolge erhob sich der Vulkan nur 21288 Meter über den marsianischen Meeresspiegel – rund 4600 Meter weniger, als man zu Hockenberrys Zeit g e dacht hatte –, aber er war trotzdem noch groß genug. Nun, lasst gut sein, dac h te Hockenberry.
Und dort oben, auf dem Gipfel, dem grasbewachsenen Gipfel unter der leuchtenden Ägis, die nun das Spätvormittagslicht ei n fing – dort gab es Leben. Und zwar keine x-beliebigen L e bewesen, sondern Götter. Die Götter. Krieg führende, atmende, streitende, intrigierende, sich paarende Geschöpfe, nicht so viel anders als die Menschen, die Hockenberry in seinem früheren Leben g e kannt hatte.
All die Wolken der Niedergeschlagenheit, die sich seit Mon a ten um Hockenberry gesammelt hatten, lichteten sich in diesem M o ment wie die weißen Wolkenfetzen, die er im zunehmenden Wind vom Nordmeer, dem Tethys-Meer, vom Olymp aus südwärts d a vonsegeln sah – und in diesem Moment war Thomas C. Hocke n berry, Doktor der Altphilologie, einfach nur vollkommen glüc k lich, am Leben zu sein. Ob er sich nun entschied, an dieser Exp e dition zur Erde teilzunehmen oder nicht – ihm wurde klar, dass er in diesem Moment mit niemandem zu i r gendeiner anderen Zeit oder an irgendeinem anderen Ort ta u schen wollte.
Mahnmut legte die Hornisse in die Kurve, flog östlich am Olympus Mons vorbei und hielt auf das Bran-Loch und Ilium zu.
17
Hera sprang von außerhalb des Exklusionsfeldes, das Ody s seus ’ Haus auf Ithaka umgab, direkt zum Gipfel des Olymps. Die gra s bewachsenen Hänge und weißen Säulenbauten, die sich vom ri e sigen Caldera-See aus in alle Richtungen erstrec k ten, glänzten im schwächeren Licht einer ferneren Sonne.
Poseidon, der Erdenerschütterer, qtete ganz in der Nähe ins D a sein. »Ist es vollbracht? Der Donnerer schläft?«
»Der einzige Donner, den er gegenwärtig hervorbringt, ist sein Schnarchen«, sagte Hera. »Und auf der Erde?«
»Wie wir es geplant haben, Tochter des Kronos. Nach all di e sen Wochen, in denen wir Agamemnon und seinen Heerfü h rern mit Einflüsterungen und Ratschlägen in den Ohren gel e gen haben, ist nun der große Augenblick gekommen. Achilles ist wie immer fort – er ist dort unter uns auf der roten Ebene –, und darum wiegelt der Atreussohn just in diesem Moment se i ne zornigen Massen gegen die Myrmidonen und andere treue Anhänger von Achilles auf, die im Lager geblieben sind. D a nach marschieren sie dann geradewegs zu Iliums Mauern und offenen Toren.«
»Und die Trojaner?«
»Hektor schläft noch nach seiner Nachtwache bei den brenne n den Gebeinen seines Bruders. Äneas ist am Fuß des Olymps, u n ternimmt jedoch in Hektors Abwesenheit nichts gegen uns. Deiphobos ist noch bei Priamos; sie sprechen über das Vorhaben der Amazonen.«
»Und Penthesilea?«
»Vor nicht einmal einer Stunde ist sie erwacht und hat sich – ebenso wie ihre zwölf Gefährtinnen – für den bevorstehenden Kampf zwischen den Sterblichen gerüstet. Erst vor kurzem sind sie unter lautem Jubel aus der Stadt geritten und haben das Bran-Loch durchquert.«
»Ist Pallas Athene bei ihr?«
»Ich bin hier.« Athene, prächtig anzuschauen in ihrer gold e nen Kampfrüstung, hatte soeben direkt neben Poseidon feste Gestalt angenommen. »Penthesilea ist auf dem Weg in ihr Ve r derben … und das von Achilles. Überall sind die Sterblichen in einem Z u stand heftiger Verwirrung.«
Hera legte der prachtvollen Göttin die Hand auf das von M e tall umschlossene Handgelenk. »Ich weiß, das war schwer für dich, Waffenschwester. Achilles war dein Liebling, seit seiner Geburt.«
Pallas schüttelte ihr strahlendes, behelmtes Haupt. »Nicht mehr. Der Sterbliche hat die Lüge verbreitet, ich hätte seinen Freund Patroklos getötet und fortgebracht. Er hat das Schwert gegen mich und all meine olympischen Brüder und Schwestern erhoben. Wenn es nach mir geht, kann er nicht schnell genug ins schattige Haus des Hades hinabsteigen.«
»Es ist Zeus, den ich nach wie vor fürchte«, fiel ihr Poseidon ins Wort. Seine tiefseegrüne Kampfrüstung war mit kunstvoll ve r schlungenen Wellen, Fischen, Polypen, Leviathanen und Haien verziert. Sein
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