Olympos
Speerwurf und zielte ganz nach unten, wo Achilles ’ bloße, muskulöse Sche n kel unter dem Kreis seines bronzenen Schildes zu sehen waren.
Achilles duckte sich mit pantherartiger Schnelligkeit. Athenes Speer traf seinen Schild und zersplitterte.
Penthesilea blieb nichts anderes übrig, als stehen zu bleiben, wo sie war, und wieder ihre Axt zu packen, während Achilles, immer noch grinsend, seine eigene Lanze hob, den legendären Speer, den der Kentaur Chiron für seinen Vater, Peleus, ang e fertigt hatte, die Lanze, die niemals ihr Ziel verfehlte.
Achilles warf. Penthesilea hob ihren sichelförmigen Schild. Die Lanze durchstieß den Schild, ohne langsamer zu werden, durc h bohrte ihre Rüstung und ihre rechte Brust, trat an ihrem Rücken wieder aus, fuhr in ihr Pferd, das hinter ihr stand, und durchboh r te auch dessen Herz.
Die Amazonenkönigin und ihr Streitross stürzten zusammen in den Staub. Penthesileas Füße flogen am Pendel des emporste i genden Speers, der in ihrer beider Brust steckte, in die Höhe. Achilles kam mit dem Schwert in der Hand auf sie zu. Penthesilea versuchte mit aller Macht, ihn im Blick zu behalten, während ihr allmählich dunkel vor Augen wurde. Die Axt fiel ihr aus den kraftlosen Fingern.
»Heilige Scheiße«, flüsterte Hockenberry.
»Amen«, sagte Mahnmut.
Der ehemalige Scholiker und der kleine Moravec hatten wä h rend des ganzen Kampfgetümmels direkt neben Achilles gesta n den. Als Achilles nun bei Penthesileas zuckendem Körper stehen blieb, traten sie vor.
»Tum saeva Amazon ultimus cecidit metus«, murmelte Hockenbe r ry. »Drauf, a ls er auch die Amazon ’ erlegt, da schwand erst völlig eure Furcht.«
»Wieder Vergil?«, wollte Mahnmut wissen.
»Nein, Pyrrhos in Senecas Tragödie Troades.«
Dann geschah etwas Seltsames.
Während sich verschiedene Achäer um sie scharten, um die tote oder sterbende Penthesilea ihrer Rüstung zu berauben, stand Achilles mit verschränkten Armen über ihr. Seine Nase n flügel blähten sich, als inhalierte er den Gestank von Blut, Pferd e schweiß und Tod. Dann hob der fußschnelle Männertöter die ri e sigen Hände, schlug sie vors Gesicht und brach in Tränen aus.
Der große Ajax, Diomedes, Odysseus und mehrere andere Fü h rer, die nah herbeigekommen waren, um die tote Amazonenkön i gin zu betrachten, traten erstaunt zurück. Der ratteng e sichtige Thersites und einige rangniedrere Achäer ignorierten den we i nenden Halbgott und fuhren fort, Penthesilea die Rüstung ausz u ziehen; sie nahmen ihr den Helm vom schlaff hä n genden Kopf, sodass die goldenen Locken der toten Königi n herabfielen.
Achilles warf den Kopf in den Nacken und klagte wie an j e nem Morgen, als Hockenberry – in Gestalt der Athene – Patroklos e r mordet und entfü hrt hatte. Die anderen Anführer traten weiter von der gefallenen Amazone und dem toten Pferd z u rück.
Thersites durchtrennte die Riemen von Penthesileas Brustha r nisch und ihren Gürtel mit seinem Messer, wobei er in seiner Hast, die unverdiente Beute an sich zu raffen, der toten K ö nigin in die helle Haut schnitt. Die Königin war nun so gut wie nackt – nur eine baumelnde Beinschiene, ihr silberner Gürtel und eine einze l ne Sandale hingen noch an ihrem zerschnittenen und zerschlag e nen, aber irgendwie nach wie vor perfekten Körper. Peleus ’ langer Speer nagelte sie weiterhin an den K a daver des Pferdes, aber der Pelide machte keinerlei Anstalten, ihn herauszuziehen.
»Tretet zurück«, sagte Achilles. Die meisten Männer gehorc h ten sofort.
Der hässliche Thersites – Penthesileas Brustharnisch unter dem einen, den blutigen Helm der Königin unter dem anderen Arm – schaute sich lachend um, während er sich daranmachte, ihr den Gürtel abzunehmen. »Was für ein Narr du bist, Peleu s sohn, so um diese gefallene Hündin zu weinen. Da stehst du und schluchzt wegen ihrer Schönheit. Sie ist jetzt eine Mahlzeit für die Würmer, und mehr ist sie nicht wert.«
»Tritt zurück«, sagte Achilles mit seiner schrecklichen, monot o nen Stimme. Immer noch strömten ihm Tränen über das staubige Gesicht.
Ermutigt von des Männertöters Zurschaustellung weiblicher Schwäche, ignorierte Thersites den Befehl und riss der toten Penthesilea den silbernen Gürtel von den Hüften. Dabei hob er ihren Körper ein Stück an, um das kostbare Band zu befreien, und verlieh der Bewegung zugleich eine obszöne Bedeutung, indem er die eigenen Hüften bewegte, als würde er mit der Leiche
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