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Olympos

Titel: Olympos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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konnte.
    Hockenberry trat einen Schritt von der Hornisse zurück und deutete auf die letzten flüchtenden Achäer, die toten Amaz o nen, die toten Pferde, Iliums ferne Mauern und die kriegfü h renden Heere, die undeutlich durch das mittlerweile vibriere n de Bran-Loch zu sehen waren.
    »Ich habe dieses Schlamassel angerichtet«, sagte Hockenberry. »Oder zumindest dazu beigetragen. Ich finde, ich sollte hier ble i ben und versuchen, die Sache wieder in Ordnung zu bri n gen.«
    Mahnmut deutete auf den Krieg, der jenseits des Bran-Lochs tobte. »Ilium wird fallen, Hockenberry. Die Kraftfelder, die Luf t abwehr und die Anti-QT-Felder der Vecs sind nicht mehr da.«
    Hockenberry lächelte, während er sein Gesicht vor der herunte r fallenden Glut und Asche zu schützen versuchte. »Et quae vagos vicina prospiciens Scythas ripam catervis Ponticam viduis ferit, excisa ferro est, Pergamum incubuit sibi«, rief er.
    Ich hasse Latein, dachte Mahnmut. Und ich glaube, ich hasse Altph i lologen. Laut sagte er: »Wieder Vergil?«
    »Seneca«, rief Hockenberry. »Auch jener männerlosen Frauen Schar – er meinte Penthesilea und ihre Amazonen –, die nachba r lich den irren Skythen schaut und an des Ponts Gestad ’ sich krieg ’ risch tum melt: Doch fiel sie hin feindsel’ ger Waffenmacht. Ach! In sich selber stürzte Pergamus! … Du weißt schon, Mahnmut, Ilium, Troja … «
    »Mach, dass du in die Hornisse kommst, Hockenberry«, rief Mahnmut.
    »Viel Glück, Mahnmut.« Hockenberry trat zurück. »Grüß mir die Erde und Orphu. Ich werde beide vermissen.«
    Er drehte sich um und lief langsam an der Stelle vorbei, wo Achilles kniete und über Penthesileas Leiche weinte – der Mä n nertöter war jetzt mit der Toten allein, die anderen waren alle g e flohen –, und als Mahnmuts Hornisse dann abhob und zum Wel t raum emporstieg, rannte Hockenberry, was die Beine he r gaben, auf das sichtbar schrumpfende Loch zu.

 

22
    Nach Jahrhunderten mit semitropischer Wärme war der echte Winter nach Ardis Hall gekommen. Es gab keinen Schnee, aber in den Wäldern in der Umgebung hielten sich nur noch die hartn ä ckigsten Blätter an den Bäumen, und selbst eine Stunde nach dem verspäteten Sonnenaufgang waren die im Schatten des großen Herrenhauses liegenden Bereiche noch mit Reif überzogen – jeden Morgen beobachtete Ada, wie die Grenzlinie des weiß gefärbten Grases auf der abfallenden westlichen R a senfläche langsam zum Haus hinauf zurückwich, bis nur noch ein ganz schmaler Graben aus Reif übrig blieb –, und Besucher berichteten, dass die beiden kleinen Flüsse, die auf der zwei Kilometer langen Strecke zw i schen Ardis Hall und dem Fa x knoten-Pavillon die Straße querten, einen Eisfilm an der Obe r fläche aufwiesen.
    An diesem Abend – einem der kürzesten des Jahres – ging Ada durchs Haus und zündete die Petroleumlampen sowie viele Ke r zen an. Ihre Bewegungen waren anmutig, obwohl sie im fünften Monat schwanger war. Das alte, vor über achtzeh n hundert Jahren – also noch vor dem letzten Fax – erbaute Herrenhaus war durc h aus komfortabel; fast zwei Dutzend Kamine, die während der letzten Jahrhunderte größtenteils dekorative Funktionen erfüllt hatten und nur aus atmosphärischen Grü n den benutzt worden waren, erwärmten nun die meisten Räume des Achtundsechzig-Zimmer-Hauses. In den anderen hatte Harman die Pläne für die so genannten Franklin-Öfen gesiglt und Letztere dann gebaut, und an diesem Abend gaben sie so viel Wärme ab, dass Ada schläfrig wurde, als sie von der unt e ren Halle zu den Zimmern und dann zur Treppe und den ob e ren Hallen und Räumen ging und die Lampen anzündete.
    An dem großen Bogenfenster am Ende der Halle im zweiten Stock blieb sie stehen. Zum ersten Mal seit Jahrtausenden, dac h te Ada, fielen Wälder Äxten zum Opfer, die von Menschen g e schwungen wurden – und nicht nur, um Feuerholz zu bescha f fen. Im letzten grauen Winterzwielicht, das durch die von der Schwerkraft verzerrten Scheiben hereinfiel, sah sie die blic k dichte, aber beruhigende graue Mauer der hölzernen Palisade am Fuß der südlichen Rasenfläche. Die Palisade führte um ganz Ardis Hall herum, manchmal nur dreißig Meter vom Haus entfernt, manchmal in einer Distanz von hundert Metern am Waldrand. Die meisten Bäume waren gefällt worden, um die Wachtürme zu errichten, die sich an allen Ecken und Winkeln der Palisade erh o ben, und dann weitere, um möglichst viele der etlichen Dutzend Sommerzelte

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