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Oma 04 - Omas Erdbeerparadies

Oma 04 - Omas Erdbeerparadies

Titel: Oma 04 - Omas Erdbeerparadies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Mommsen
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auf.
    «Zu laut?»
    Oma warf den Kopf von links nach rechts. Ihrem Dauergrinsen nach zu urteilen, fand sie es grandios, mit lauter Rockmusik durch Wyk zu rauschen. Als sie am Erdbeerparadies vorbeikamen, tauschten sie kurz einen Verschwörerinnenblick. Das rot geklinkerte Gebäude unter den Buchen und Kastanien wirkte verlassen, der Parkplatz war leer, Arnes Toyota war nicht zu sehen. Hinter Wrixum bog Jade ab in die Marsch. Von Norden her schoben sich ihnen träge, fette Wolken entgegen. Auf den Gräsern, die sich im leichten Wind kräuselten, lag ein zarter Silberschimmer. Treckerreifen hatten geheimnisvolle Muster in die riesigen Felder gedrückt, die sich bis zum Horizont zogen.
    «Weiter geradeaus?», fragte Jade an einer Kreuzung im Nichts. Hier wuchsen nicht einmal Büsche oder Bäume. Oma deutete nach rechts. Jade riss das Steuer herum, und Oma fasste ihr entschuldigend an den Arm: Doch links!
    Momme war also Discjockey geworden, dachte Jade, während sie die Landschaft an sich vorbeiziehen sah. Das konnte man sich gar nicht vorstellen. Sie mussten damals ein bemerkenswertes Paar abgegeben haben: Während sie sich Plastiktränen auf die leichenweiß geschminkten Wangen klebte, gab Momme den Naturburschen, braun gebrannt, strohblond, mit einer Goldkette, an der ein goldenes Seepferdchen hing. Sie hatte sich von ihm die ganze Insel zeigen lassen. Er saß auf dem Mofa, sie auf dem Fahrrad und hielt sich mit ihrer Hand an seiner Schulter fest.
    Momme war total nett gewesen, aber er kam einfach aus einer komplett anderen Welt als sie. Während sie sich zu Hause mit ihren Freunden auf dem Frankfurter Zentralfriedhof traf, um sich an den Gräbern düstere Gedichte vorzulesen, wanderte Momme durchs Watt und zählte Vögel. Am letzten Abend vor ihrer Abreise hatten sie sich am Strand geküsst, ohne dass mehr passiert war. Seitdem hatten sie sich nicht gesehen, das war jetzt vier Jahre her.
    Oma deutete auf ein kleines Haus mitten in der Pampa: Hier also wohnte er! Verwundert stellte sie fest, dass ihr Herz ein paar Takte schneller schlug.
    Um das Gebäude herum war kein einziger Baum oder Busch zu sehen, nichts als endlose Felder, wohin man auch blickte. Wie hielt es Momme in dieser verlorenen Weite bloß aus? Jetzt, bei Sonnenschein mit blauem Himmel, hatte das was, ohne Zweifel. Aber an einem schmutzigen Novembertag bei Dauerregen? Plötzlich fiel ihr ein, dass sie sich ihn die ganze Zeit als alleinstehend vorgestellt hatte. Vielleicht lebte er ja mit seiner Freundin hier, und es war das schönste Liebesnest, das man sich denken konnte.
    «Wieso wohnt Momme hier?», fragte Jade.
    Ihre Großmutter schaute sie traurig an und schrieb etwas auf den Block. Imke kannte Momme ganz gut, weil er der «Enkel» ihres Mitbewohners Ocke war. Genau genommen war Ocke nur der Nachbar von Mommes Eltern gewesen, aber Ocke hatte die Rolle des Großvaters so überzeugend ausgefüllt, dass ihn irgendwann alle als Mommes eigentlichen Opa angesehen hatten.
    Jade hielt das Lenkrad mit einer Hand fest und las, was ihre Oma aufgeschrieben hatte.
    ELTERN VORLETZTES JAHR TOT, AUTOUNFALL.
    Jade schluckte, das musste hart sein. Bei allem Ärger, den sie mit ihren Eltern hatte, verlieren wollte sie sie auf gar keinen Fall. Und schon gar nicht beide auf einmal. Wie musste es Momme hier draußen jetzt gehen, nach diesem Schicksalsschlag?

    Jade parkte Svantjes Peugeot vor der Tür, half Oma in den Rollstuhl und klopfte laut an der Tür. Am Türschild stand «Momme Clausen», darunter ein Firmenname, «MC-Webdesign», was mitten in der Marsch einigermaßen absurd wirkte. Laufkundschaft konnte er hier wohl kaum erwarten.
    Drinnen blieb es still.
    Sie drückte die Klinke, die Tür war nicht abgeschlossen, wie so oft auf der Insel.
    «Hallo …?», rief sie vorsichtig in den Flur. Es kam nichts zurück. Hinter sich hörte sie ein Klappern. Oma schlug mit ihrem Ring gegen den Rollstuhl, um Jade klarzumachen, dass sie reinwollte.
    «Das dürfen wir nicht», protestierte Jade.
    Ihre Großmutter aber gab ihr zu verstehen, dass sie beiseitetreten solle, und rollte dann hinein. Jade schaute sie noch einmal schuldbewusst an und folgte ihr.
    «Ganz schön abgefahren», sagte sie.
    Über einen kleinen Flur gelangte man in zwei Zimmer. Nach Naturbursche sahen die Räume nicht gerade aus. Im Wohn- oder Arbeitszimmer – so genau konnte man das nicht sagen – war eine Wand vollständig mit matt glänzenden Aluminiumplatten ausgeschlagen, die gegenüberliegende

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