Oma 04 - Omas Erdbeerparadies
Seite war vollgehängt mit Strandgut. Um die Tür herum klebte eine kitschige Fototapete, die einen Sonnenuntergang im Wattenmeer zeigte, inklusive Möwen mit großen Schwingen. Ansonsten war der Raum vollgestellt mit Tischen, auf denen mehrere Bildschirme und PCs sowie eine Musikanlage mit einem riesigen Mischpult standen.
Neugierig schob Jade ihre Oma ins Schlafzimmer. Dort stand ein Himmelbett, an der Decke hingen unzählige kleine Fotos von Menschen, wahrscheinlich Freunde und Familie.
«Guck mal, das bin ich!», rief sie erstaunt und deutete auf zwei Bilder. Auf einem stand sie blass geschminkt vor einem Grabstein auf dem Walfängerfriedhof in Süderende, ein anderes zeigte sie auf einer Party, die Arne am Utersumer Strand veranstaltet hatte, als er dort noch Strandkörbe vermietete. Plötzlich huschte ein wuseliger schwarzer Hund in den Raum und bellte sie laut an. Jade und ihre Oma fuhren erschrocken zusammen. Der Hund wedelte mit dem Schwanz und schien sich über den Besuch zu freuen. Hinter ihnen räusperte sich eine tiefe Männerstimme:
«Svantje, bist du das?»
Oma sah Jade verwirrt an.
«Wegen Svantjes Wagen», raunte sie ihr zu.
«Wie seid ihr rein gekommen?»
Jade drehte sich um. Vor ihr stand ein strohblonder junger Mann, der aussah wie der pure Sommer: hellblonder kurzer Bart, tiefbraungebrannte Haut, breite, durchtrainierte Schultern, eine modische Sonnenbrille im Haar. Seine großen blauen Augen richteten sich wie zwei Kameras auf sie.
Das sollte Momme sein?
Er grüßte ihre Oma: «Moin, Imke.»
Sie erkannte er erst auf den zweiten Blick.
«Jade?»
«Momme!»
Dann umarmten sie sich vorsichtig.
«Was machst du denn hier?», fragte Momme erstaunt.
Hatte er schon immer so eine tiefe Stimme gehabt? Unter dem T-Shirt zeichneten sich seine markanten Schüsselbeinknochen ab, die ihr schon damals gefallen hatten.
«Lange Geschichte.»
«Das klingt ja fast so, als wenn du auf der Flucht bist», sagte Momme und lächelte.
Gar nicht schlecht geraten.
«Und selber?»
Momme lachte und zeigte seine weißen Zähne.
«Wieso?»
Sie fragte sich, ob sie den Tod seiner Eltern ansprechen sollte. Aber nach fast zwei Jahren war es zu spät für Beileidsbekundungen. Oder nicht? Sie war sich nicht sicher, entschied sich aber dann dafür, den lockeren Ton beizubehalten.
«Ich habe gehört, dass die Polizei hier ihre Kronzeugen versteckt, damit die Mafia sie nicht findet.»
Momme grinste.
«Von hier aus sind es höchstens drei U-Bahn-Stationen bis Wyk», erklärte er.
«Eine U-Bahn auf Föhr? Superidee, das wurde auch Zeit!»
«Darf ich trotzdem erfahren, was euch hierhertreibt? Normalerweise werde ich informiert, bevor Leute mein Haus betreten.» Seine Augen blitzten amüsiert auf. Die Frage war natürlich berechtigt, er schien ihre Gegenwart aber nicht als unangenehm zu empfinden – im Gegenteil.
«Ja, also … äh», stammelte Jade.
WIR BRAUCHEN DEINE HILFE, klärte Oma.
«Okay.» Momme lächelte. «Lasst uns doch rausgehen bei dem Wetter. Mögt ihr einen Eistee?»
«Gerne.»
«Du auch, Imke?»
Oma winkte ab, sie sah plötzlich müde aus. Der Hund bellte laut und stupste seine Schnauze gegen Jades Bein.
«Das ist Thor.»
«Moin, Thor», sagte Jade und kraulte ihn. Sein Fell war weich wie Wolle.
Hinter dem Haus lag eine kleine Terrasse, windgeschützt und sonnenbeschienen. Ein Traum! Daneben blühten seltene Blumen und Kräuter, die Jade nicht kannte. Hatte Momme sie angepflanzt? Er spannte den Sonnenschirm über dem Tisch auf, sie setzten sich und blickten auf die Überlandleitungen, die quer über die Felder zu den Höfen führten. Auf einigen hockten dunkle Krähen und starrten in die Weite. Irgendetwas sagte ihr, dass diese Vögel nichts Gutes im Sinn hatten.
Momme holte eine Karaffe Eistee und Gläser aus der Küche und schenkte allen ein, vorsorglich auch Imke, falls sie ihre Meinung ändern würde. Aber sie sackte nach kurzer Zeit mit dem Kopf zur Seite und schloss die Augen.
«Was ist mit Imke?», fragte Momme leise.
«Wir waren heute baden. Das hat sie mehr geschlaucht, als sie zugeben will.»
«Jade», sagte er laut und schaute sie immer noch ungläubig an. Sie wusste nicht recht, wie sie seinen Blick deuten sollte.
«Du, Momme, ich habe ein wichtiges Anliegen.» Sie kraulte Thor weiter am Nacken, was der sichtlich genoss. «Ich organisiere gerade eine Schülerparty und suche einen DJ. Könntest du dir vorstellen, das zu machen?»
«In Frankfurt?»
«Nee, ich wohne
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