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Oma dreht auf

Oma dreht auf

Titel: Oma dreht auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Mommsen
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Der ist voll auf die Beamten losgegangen. Na ja, ich gehe mir erst mal die Hände waschen.»
    In dem Moment schoss Christa um die Ecke.
    Und küsste Petersen auf den Mund.
    Ocke starrte die beiden entsetzt an. Christas Lover war Dr. med. Stefan Petersen, ihr Vermieter?
    Das war das Ende ihrer WG .
    Und sein Ende auf Föhr.
    Und zwar endgültig.

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    10. Katerfrühstück
    Am nächsten Morgen schlenderte Imke in ihrem neuen Morgenmantel auf die Terrasse. Sie war ausgeschlafen, weil sie vor Mitternacht ins Bett gegangen war und sich Ohropax in die Ohren gesteckt hatte. Feiern konnten die Gäste auch ohne sie, und nun war sie gespannt auf den Tratsch, den es nach jeder Party gab: wie lange es gegangen war, wer mit wem getanzt hatte und so weiter.
    Sie schaute hoch in den Himmel. Im Norden plusterte sich eine mächtige Quellwolke auf und quetschte sich vor die Sonne wie ein riesiges Tier, dem man nicht ausweichen konnte. Imke schloss die Augen. Die kühle Luft legte sich wie Aloe Vera auf ihre Gesichtshaut, das milderte ihre Melancholie ein wenig. Da freute man sich monatelang auf den Geburtstag, und zack, war er schon wieder vorbei. Sie ließ ihre Lieben in Gedanken noch einmal an sich vorbeiziehen. Freunde und Verwandte hatten sie gefeiert wie eine Königin.
    Verträumt setzte sie sich an den Terrassentisch, wo Christas tragbarer DVD -Player stand. Imke nahm ihre randlose Lesebrille aus der Tasche des Morgenmantels und setzte sie auf. Sönke hatte ihr gestern eine Geburtstagsrede gehalten, die Regina netterweise aufgenommen hatte. So lange die anderen noch schliefen, konnte sie sie sich ansehen. Insgeheim war sie stolz, dass sie wusste, welche Knöpfe zu drücken waren: erst «On», dann «Auswählen» und schließlich «Play».
    Sönke erschien auf dem kleinen Bildschirm. Ihr geliebter Enkel! In der letzten Zeit war er sichtbar älter geworden, immerhin war er nun schon siebenunddreißig Jahre alt, und das Jugendliche war in seinem Gesicht nur noch zu erahnen. Aber das Alter stand ihm gut. Seine neue Brille war zwar schick, aber bis vor kurzem hatte er noch keine gebraucht. Sönke strahlte sie an, wie er da vor der Musikanlage stand und das Mikro übernahm. Es ging ihr durch und durch.
    «Oma, ich weiß, du magst solche Reden nicht. Trotzdem möchte ich dich daran erinnern, dass du auf der Berlinale echten Hollywoodstars wie Brad Pitt die Hand geschüttelt hast, du hast Kunstführungen veranstaltet, obwohl du null Ahnung von den ausgestellten Werken hattest, und auf einer Vernissage musste ich deinen Lover spielen, weil du einen Skandal provozieren wolltest – richtig?»
    Jetzt kam sie ins Bild. Sie legte den Kopf etwas verlegen zur Seite. Ihr eigener Anblick war ihr fremd, vergeblich suchte sie das siebzehnjährige Mädchen, das sich stundenlang im Spiegel betrachtete und sich fragte, was wohl aus ihrem Leben einmal werden würde. Stattdessen sah sie eine alte Frau, und das entsprach so gar nicht ihrem Selbstbild. Nicht, weil sie ihr Alter verdrängen wollte, sondern weil sie noch so genau wusste, was das Mädchen Imke damals gedacht und gefühlt hatte.
    Und trotzdem ging ihr Leben jetzt langsam zu Ende – konnte man das begreifen? Das sollte es gewesen sein? Andererseits, wenn wirklich nicht mehr viel käme, dann konnte sie sich glücklich schätzen, denn eigentlich ließ sich ihr Glück kaum noch steigern.
    «Oma, du warst immer etwas abgehoben, das kannst du nicht bestreiten», fuhr Sönke fort. Der Bildschirm zeigte ihr gespielt beleidigtes Gesicht.
    «Ich bin immerhin die Tochter eines ehrbaren Wyker Kaufmanns», protestierte sie.
    Sönke grinste.
    «Dann ist der Apfel weit vom Stamm gefallen. Nur auf Föhr hast du dich immer zusammengerissen, einigermaßen jedenfalls.»
    «Ganz genau!»
    «Das soll sich nun ändern. Du sollst endlich auch mal hier abheben.» Sönke zückte einen Briefumschlag. «Deswegen schenken wir dir einen Rundflug über Föhr und das Wattenmeer.»
    Sie klatschte begeistert in die Hände, die Kamera fuhr ins Publikum, alle applaudierten mit. Sönke gab seiner Oma einen dicken Kuss.
    «Super Idee!», rief sie, dann brach der Film ab.
     
    Sie war immer noch gerührt. Zuerst hatte sie vermutet, dass der Rundflug Sönkes Idee gewesen war, aber er hatte ihr verraten, dass Regina die Sache eingefädelt hatte. Ausgerechnet ihre Jüngste, mit der sie sich nicht besonders verstand, erinnerte sich an ihren heimlichen Traum! Imke war Zeit ihres Lebens eine Freundin der Vögel

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