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Oma ihr klein Häuschen

Oma ihr klein Häuschen

Titel: Oma ihr klein Häuschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Mommsen
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ist. Die Temperatur überträgt sich angenehm auf meinen Hintern.
    «Was meint er damit: ‹Sie ist nicht weit von hier›?», grüble ich.
    «Keine Ahnung.»
    «Nicht mal du wusstest das mit dem Motorbootführerschein? Obwohl du jede Woche dreimal bei ihr zum Essen bist?»
    «Ich verstehe es selber nicht.»
    «Oma hat ein Geheimnis.»
    «Tja.»
    Maria fängt an, vor ihrem Wagen auf und ab zu tigern.
    «Wir brauchen mehr Anhaltspunkte», finde ich.
    Maria schaut auf ihre Armbanduhr. «Ich muss zurück zur Wache. Vielleicht hat Papa ja im Fährhafen was erfahren.»
    Schade, dass sie schon gehen muss.
    «Rufst du mich an, wenn du was hast?»
    «Ja. – Was machst du?»
    «Auf’n Deich gehen.»
    «Und da?»
    «Schlauer werden.»
    Sie schaut mich prüfend an.
    «Mmmh.»
    Ich lächle Maria zu: «Ich warne dich, irgendwann kommt der Tag, an dem ich mit dir Pizza essen gehen will.»
    Dafür gibt es ein herzliches Lachen von ihr.
    «Ahja?»
    «Nicht?»
    «Doch, klar.»
    Diese zwei Worte entspannen mich mehr, als sie ahnen kann.
    Maria springt in ihren Mini und rauscht davon. Kein Kuss auf die Wange, keine Umarmung. Ich bleibe noch einen Moment auf der Bank sitzen und überlege ernsthaft, ob ich die erste Zigarette seit fünf Jahren rauchen soll.

12.   Auf der Deichkrone
    Im Verleih in der Königstraße hatten sie nur noch ein klassisches Holländerfahrrad, auf dem ich nun mit durchgedrücktem Rücken gegen den Wind kämpfe. Anders kann man mit den Dingern einfach nicht fahren. Ich schlängele mich aus der Inselhauptstadt hinaus und radele auf der Krone des mächtigen Seedeiches an dem großen Teich vorbei in Richtung Osterland mit seinen satten Marschwiesen. Ein «Amt für ländliche Räume» warnt auf einem riesigen Schild:
Bitte rechnen Sie auf den Deichen und Deichverteidigungswegen mit deichtypischen Verschmutzungen und Unebenheiten (z.   B. Treibgut, Schafkot, Weidezäunen oder Schlaglöchern)
. Von diesem «Amt» habe ich noch nie gehört, es klingt für mich irgendwie nach UF O-Abwehr , während die Deichverteidigung an die Wikinger erinnert.
    Wie auch immer, falls ich Schafkot sehe, bin ich gewarnt.
    Die Sonne ist jetzt weg, und das schattenlose Grau lässt mich ruhiger werden, was ich gut gebrauchen kann.
    Alle Farben sind klar sortiert.
    An Land das satte Grün, rechts das braune Wattenmeer und über allem ein grauer Himmel mit bläulichem Hoffnungsschimmer. Auf dem Deich werde ich groß und klein zugleich: Von den Windrädern abgesehen, bin ich derhöchste Punkt in der Landschaft, aber über mir türmen sich riesige Himmel, die mich winzig erscheinen lassen. In der Ferne kann ich den Hindenburgdamm sehen, über den der Autozug gerade eine lange, bunte Kette von Autos nach Sylt transportiert. Ich erinnere noch von früher, dass man während der Überfahrt im Wagen sitzen bleibt. So einfach kommt man nach Föhr nicht, zum Glück, denn es schützt die Insel vor zu heftigen Touristeninvasionen.
    Plötzlich erkenne ich ganz am Ende des Deiches einen Punkt über dem Horizont. Mein Herz schlägt höher. Das könnte Omas Freundin Christa sein. Dass ich darauf nicht früher gekommen bin! Wenn mir jemand weiterhelfen kann, dann sie.
    Christa gehörte als Omas beste Freundin eigentlich schon immer zur Familie, jedenfalls kenne ich sie, seit ich denken kann. Sie sitzt täglich zwei Stunden auf dem Deich, egal bei welchem Wetter. Im Winter ist sie dick eingepackt in einen gefütterten Ansitzsack mit breiten Hosenträgern, wie ihn Jäger tragen, die die Arme zum Schießen frei haben müssen. «Unter diesen Himmeln fühle ich mich Gott am nächsten», hat Christa einmal auf einer Familienfeier bekannt, «das ist meine Kirche.» Jeden Tag fotografiert sie den Himmel und stellt die Aufnahmen dann ins Internet. Für sie sind es Heiligenbilder. Von Oma weiß ich, dass ihre Website sieben- bis achttausendmal täglich angeklickt wird, das Interesse geht von Lappland bis nach Südafrika. Auch ich bin oft auf ihrer Seite.
    Christa ist alleine.
    Sie sitzt auf einem stoffbespannten Klappstuhl mit Blumenmuster und schaut auf den schlickigen Meeresboden bei Ebbe. Neben ihr liegt ein Mountainbike, daneben steht ein zweiter Stuhl. Sie trägt eine weiße Sommerhose, einenleichten, dunkelblauen Pulli und eine elegante Sonnenbrille im Haar. Ich fand Christa schon immer sehr attraktiv. Das klingt vielleicht ungewöhnlich für einen Mittdreißiger, denn sie ist bereits sechsundfünfzig, und ich meine auch nicht, dass sie bestimmt mal eine

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