Oma ihr klein Häuschen
John.
Regina schaut mich erwartungsvoll an.
Soll ich das jetzt kommentieren?
«Schön», lobe ich.
Ich habe tatsächlich schon Schlechteres gehört.
«Wirklich?»
«Ja.»
Sie lächelt beglückt und verschwindet aus unerfindlichen Gründen erneut in der Küche.
«Du machst das ganz richtig», raunt mir Holger zu, was ichvor seinem Sohn ziemlich schäbig finde, «sie braucht etwas Bestätigung.»
Danach fordert er mich auf, schon mal anzufangen, obwohl seine Frau noch nicht da ist. Ich probiere den aufwendig drapierten Salat mit Nüssen und Mango. Regina kommt zurück.
«Der Salat schmeckt klasse», sage ich.
«Danke.» Sie strahlt mich an.
«Schreibst du nur so, oder machst du einen Kurs?», erkundige ich mich höflich.
«Beides. Ich bin hier an der Volkshochschule bei Maike Feddersen-Clausen, die kennst du sicher.»
Was für ein Doppelname!
«Nein, woher?»
«Die hat schon viel veröffentlicht, im Ingrid-Beusen-Verlag in Niebüll.»
«Tut mir leid, mit Lyrik kenne ich mich nicht so aus.»
Regina schaut mich vorwurfsvoll an: «Du kennst nicht mal ihre berühmten Blumenbücher?»
«Tut mir leid», wiederhole ich. Mit meinem Bekenntnis scheine ich in ihrem Ansehen rapide gesunken zu sein.
«Nun lass ihn doch», greift Holger ein.
Regina schaut erst ihn, dann mich verwirrt an.
«Nächstes Jahr wollen wir mit dem Kurs sogar zur Buchmesse nach Frankfurt fahren», verkündet sie.
«Das ist bestimmt interessant.»
«Wir wollen da Flyer verteilen mit unseren Gedichten, wer weiß, vielleicht werde ich da entdeckt. Ich muss ja schließlich nicht immer Optikerin bleiben wie meine Schwester Geeske, oder was meinst du, Sönke?»
Habe ich das richtig gehört? Regina will ernsthaft Dichterin werden?
«Mama gefällt ihr Job», verteidige ich meine Mutter.
«Und wie findest du die Sache mit der Buchmesse? Das ist doch eine Riesenchance, oder?»
Was sage ich bloß?
«Warum nicht.»
Woraufhin sie erneut in die Küche rennt.
Holger verzieht das Gesicht.
«Meinst du, dein Betrieb hat Zukunft?», will er wissen.
«Du, entschuldige, wo ist denn die Toilette?», würge ich ihn ab. Dieses Thema hat zurzeit bei mir nicht mal mehr das Potenzial für einen Smalltalk.
«Im Flur, links neben der Eingangstür.»
Im Vorbeigehen sehe ich durch die halbgeöffnete Tür zur Küche, wie Regina vor dem geöffneten Backofen steht und sich eine Flasche Hochprozentigen an den Mund hält. Sie stürzt den Schnaps in schnellen Schlucken runter. Das gibt mir Hoffnung: Der Abend kann nicht lang werden!
Als ich von der Toilette zurückkomme, ist das Wohnzimmer leer. Holger hilft Regina in der Küche, und John ist wieder in seinem Zimmer verschwunden. Ich vertreibe mir die Zeit, indem ich mir die Bücher im Regal über dem Fernseher ansehe: Ildikó von Kürthy, Hera Lind, die Frauenbestseller der letzten zwanzig Jahre sind vollständig versammelt. Allein der Bildband mit dem Titel
XX L-Monster -Trucks
gehört wohl Holger. Ich ziehe das schwere Buch heraus und entdecke in der Regallücke dahinter zwei kleine Flaschen Jägermeister.
Erwischt!
Das Versteck ist nicht einmal geschickt gewählt, denn wenn Holger mal ein Buch in die Hand nehmen würde, dann wohl dieses, es sei denn, er steht auf
Mondscheintarif
und
P. S. Ich liebe Dich
. Oder weiß Holger ohnehin Bescheid?
Jetzt kommen Regina und Holger mit zwei großen Nirosta-Töpfen wieder herein.
«Coq au vin», freue ich mich, «das habe ich ewig nicht gegessen.» Das Buch konnte ich eben noch schnell ins Regal zurückstellen.
Bei diesem Gang ist Regina total entspannt. Ihr Alkoholpegel scheint auf einem optimalen Level zu liegen, sie lächelt mich heiter an.
«Holgi und ich waren letztes Jahr in Thailand», erzählt sie, «und abends gab es in unserem Hotel Karaoke …»
«Also, das stimmt nicht ganz», berichtigt ihr Mann sie, «es gab jeden Abend was anderes, Flamenco, Bingo … Karaoke gab es nur alle drei Tage.»
Flamenco in Thailand? Ich frage nicht nach.
«Jedenfalls habe ich beim Karaoke
Your Song
von Elton gesungen, vor allen Leuten», gluckst Regina, «kannst du dir das vorstellen?»
Nach einer Flasche Hochprozentigem immer.
«Am nächsten Tag haben wir dann eine Ausflugsfahrt zu einem Kloster gemacht», fährt sie fort, «da haben die Mönche auch gesungen, so asiatisch, was die da halt so sprechen. Jedenfalls fragt mich einer, ob ich nicht auch etwas Religiöses aus meiner Heimat singen könnte. Und spontan fiel mir nur
Your Song
ein. Aber das
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