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Oma ihr klein Häuschen

Oma ihr klein Häuschen

Titel: Oma ihr klein Häuschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Mommsen
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trommelt auf das Autodach, was gut zur Musik passt.
    Ich bin beunruhigt.
    Einen Abhängigen hast du ja manchmal in der Familie. Aber bei uns betrinkt sich Oma bis zum Umfallen, Cord schläft nur mit Schlaftabletten, und jetzt Regina   …
    Vielleicht ist es ja erblich.
    Ich erinnere mich noch genau, dass mir ein leichter Schauer über den Rücken lief, als Oma Imke mir mal mit erhobener Stimme sagte, es sei lange überfällig gewesen, dass das Blut der Insulaner sich endlich mit fremdem durchmische. Aber was hieß das für die Zeit davor? Gab es auf Föhr Kindermit zwei Köpfen und elf Fingern? Haben auch die Riewerts einen Genschaden?
    Wenn ja, sind meine persönlichen Aussichten trübe.
    Ich muss darauf setzen, dass ich eine Mutation bin. Das ist meine einzige Hoffnung.
    Als ich zu Hause ankomme, erscheint mir das Doppelbett neben dem schnarchenden Cord plötzlich wie das Paradies.

14.   Der Rolls-Royce der Meere
    Als ich am nächsten Morgen in die Küche gehe, um die Kaffeemaschine anzuwerfen, zucke ich zusammen vor Schreck: Arne steht plötzlich im Raum. Was nur möglich ist, weil weder Cord noch ich die Haustüre abgeschlossen haben. Wahrscheinlich hat Regina ihn angerufen und erzählt, dass sie gestern Abend in der Hausfrage nicht weitergekommen ist.
    «Moin, Sönke.»
    «Was willst du?», blaffe ich ihn unfreundlich an.
    Ich finde, diesen Tonfall hat er verdient. Es ist eine originalgetreue Kopie seiner eigenen Ausdrucksweise vorgestern am Strand.
    «Komm, ich war letztens nicht gut drauf. Hör zu, ich bin seit drei Wochen Single und noch total genervt. Da verliert man schon mal die Nerven   …»
    Was keiner mehr verstehen kann als ich.
    «…   Es tut mir leid.»
    Gegen Entschuldigungen bin ich leider vollkommen wehrlos, eine Schwäche von mir. Da hat die Erziehung meiner Eltern tief gewirkt.
    «Okay.»
    «Friede?»
    «Friede. Was Neues von Oma?», frage ich ihn.
    Arne schüttelt den Kopf: «Nein, aber ich denke, Mama geht’s gut.»
    «Sowohl von Christa als auch von Behnke weiß sie, dass wir sie suchen. Wieso meldet sie sich nicht?»
    Arne zuckt mit den Achseln: «Manchmal ist sie so, da kannst du nichts machen. Überleg mal, Mama hat ihren Rucksack mit und ist an der Fähre nicht gesehen worden. Das bedeutet doch, sie ist noch auf der Insel.»
    «Aber wieso hat sie keiner gesehen? Hier kennen sich doch alle.»
    «Wenn sie sich bis morgen nicht gemeldet hat, will Maria nochmal los und sie suchen.»
    «Na, denn.»
    «Mach mal einen Tag Pause, Sönke.»
    «Wahrscheinlich hast du recht.»
    «Nicht wahrscheinlich, sondern ganz sicher.»
    Seine neuen Falten treten alle einzeln hervor, als er mich anlächelt: «Also, am Strand war ich ein echter Kotzbrocken, oder?»
    «Yupp.»
    «…   und dafür muss ich büßen, findest du nicht auch?»
    «Am liebsten wäre mir Bargeld», schlage ich vor, «und zwar so viel wie möglich.»
    Er lacht: «Ich habe was Besseres. Wir gehen auf große Fahrt, und für dich ist alles zollfrei. Hast du Lust?»
    Natürlich bin ich misstrauisch. Will er mich jetzt mit seiner Entschuldigung weichklopfen, damit ich das Haus doch verkaufe? Und solange Oma nicht da ist, verlasse ich die Insel ungern. Andererseits, warum nicht zwischendurch eine kleine Kaffeefahrt mitnehmen?
    «Wir machen eine richtig satte Altherrenpartie», grinst er. «Lass dich überraschen.»
    Ich bezweifle, dass ich mit fünfunddreißig schon zu dieser Zielgruppe passe, aber man wird sehen.
     
    Der Himmel klart auf, als Arne mit seinem olivenfarbenen Ex-Bundeswehr-V W-Bus am Wyker Sportboothafen hält. Wir steigen aus und gehen über den Steg zum schönsten und elegantesten Objekt weit und breit: ein Original Rivaboot aus den sechziger Jahren. Der Bootskörper besteht aus Holz mit fugenloser, tiefroter Mahagonibeplankung, der Konstrukteur hat nicht an Chrom gespart. Innen ein klassisches Armaturenbrett mit weißem Steuerrad, schneeweißem Ledersessel und dahinter eine gepolsterte Liegefläche sowie ein schlank auslaufendes Heck. Die Panoramascheibe vorn ist blau getönt. In den fünfziger bis siebziger Jahren posierte der gesamte Jetset auf solchen Booten. Ich verbinde damit Schwarz-Weiß-Fotos von Männern mit langen Koteletten und bis zum Bauch geöffneten Hemden, neben denen sich eine schöne Frau rekelt.
    Arne springt an Bord.
    «Der Rolls-Royce der Meere!», ruft er.
    Ich bin beeindruckt: «Wo hast du das her?»
    Arne lacht: «Geklaut.»
    «Was würde man dafür zahlen müssen?»
    «In dem Zustand?

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