Oma ihr klein Häuschen
genüsslich. Mein Blick wandert zum Leuchtturm von Hörnum. Ansonsten ist um uns herum das Meer. Wenn ich von hier aus immer geradeaus fahren würde, käme ich in Nordamerika an. Hat das schon mal jemand probiert?
«Gesurft wird immer», stimme ich zu.
«Quatsch, Surfen läuft bei mir nur noch unter Spaß. Ich bin dabei, einen Internet-Versand aufzubauen.»
Ich ziehe meinen BlackBerry aus der Windjacke und fahre ihn hoch: «Wie ist denn die Adresse?»
Arne starrt auf meinen Minicomputer und winkt ab.
«So weit sind wir noch nicht. Das will alles solide vorbereitet sein.» Das Wort «solide» war für Arne früher eines der schlimmsten Schimpfwörter überhaupt.
«Es geht um
die
Plattform für Surfer in aller Welt, inklusive Bretterverkauf, Klamotten etc.»
«Und da ist noch keiner vor dir drauf gekommen?»
«Natürlich. Bloß hatte niemand Sponsoren wie ich an der Hand, die voll mitziehen, internationale Firmen wie Apple und O’Neill.»
Onkel Arne, der Global Player?
«Wie bist du an die Kontakte rangekommen?»
«Weißt du, Sönke, ich surfe mein ganzes Leben lang, davon verstehe ich etwas. Und genau diese Erfahrungen schieße ich jetzt in eine neue Umlaufbahn.»
Für dieses nölige Getue liebe ich ihn irgendwie. Ich überhäufe ein Stück Baguette mit Krabben und beiße lustvoll hinein.
Nun senkt Arne verschwörerisch die Stimme: «Ich habe einen Klamottendesigner in Amsterdam an der Hand, der sonst nur für die Großen arbeitet. Für die ganz Großen, verstehst du? Der baut mir eine Billigkollektion vom Feinsten. Hier», er greift in die Kühltasche und zieht einen daumendicken Schnellhefter heraus, «das ist der Businessplan für die Bank. Lies mal.»
«Später.»
«Nee, lies.» Er beugt sich zu mir: «Ich möchte dir ein Geschäft vorschlagen, das ich nicht jedem anbiete. Ich kann das mit dem Haus in Nieblum schon verstehen, das könnte man sicher ganz schickobello herrichten. Aber du bist Mitte dreißig, da musst du auch an deine Zukunft denken.»
«Es geht also doch ums Haus.»
«Wie viel hast du bis jetzt für deine Rente zurückgelegt?»
Und das von meinem Freak-Onkel …
«Wenig. Na ja, gar nichts.»
«Ich habe früher auch immer gedacht, das ist nicht wichtig. Aber in vier Jahren werde ich sechzig, Alter, und da sieht die Sache anders aus.»
«Ehrlich gesagt, bin ich gerade arbeitslos geworden.»
«Kein Problem», behauptet er und deutet auf den Schnellhefter: «Du kannst stiller Teilhaber werden oder aktiv mitarbeiten. Wenn du willst, hast du den Job.»
Jetzt wird es Zeit, deutlich Flagge zu zeigen: «Hör mal zu, Arne, Surfen ist nicht meine Branche. Davon verstehe ich nichts.»
«Lies den Businessplan.»
«So ein Haus kann ich überblicken, aber eine Internet-Bude?»
Natürlich bin ich nicht so sicher, wie ich tue. Geht mir gerade der Job meines Lebens durch die Lappen, nur weil ich zu blöd bin? Vielleicht könnte ich in zehn Jahren Chef von so etwas wie Apple sein? Und selbst wenn nicht, habe ich überhaupt eine Alternative in meiner Situation? Auf der anderen Seite weiß ich, dass Arne eine Menge Fähigkeiten besitzt, nur Geschäftssinn gehört überhaupt nicht dazu.
«Mit dem Geld aus dem Hausverkauf ginge es mit der Bank noch schneller», versichert er mir.
«Ich lese es, versprochen.»
«Aber beeil dich, das Timing ist wichtig.»
«Ich will auf jeden Fall erst mal Omas Meinung hören.»
Er schluckt. «Klar.»
Und dann wechseln wir endlich das Thema und quatschen über Wetter, Kinofilme, Weltpolitik und Geländewagen. Die Flut steigt und steigt, sodass wir am Schluss bis zu den Knöcheln im Wasser sitzen.
Als wir zurückfahren, wird es empfindlich kühl im Rivaboot, und man kann sich leider nirgendwo gegen den Fahrtwind schützen. Normalerweise verkehren diese Boote im Sommer auf Schweizer Seen oder am Mittelmeer. Ich verkrieche mich auf dem Boden, als Arne Fahrt aufnimmt. Auch er friert in seinem dünnen weißen T-Shirt , versucht aber, es nicht zu zeigen.
Dann kommt er doch nochmal auf den eigentlichen Grund seiner Bootstour zurück.
«Das mit dem Haus ist eine romantische Idee, aber Schwachsinn», schreit er gegen den Wind. «Mit dem Geld aus dem Verkauf hole ich im Internet das Sechsfache wieder rein, Sönke.»
«Wie dringend brauchst du das Geld denn?», frage ich ihn ganz direkt.
«Ey, dass wir uns nicht missverstehen, ich bin nicht darauf angewiesen. Das ist ein Geschäft mit fetter Rendite, da sind auch noch andere scharf drauf. Dir biete ich die
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