Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Oma ihr klein Häuschen

Oma ihr klein Häuschen

Titel: Oma ihr klein Häuschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Mommsen
Vom Netzwerk:
geöffneten DIN-A 4-Umschlag , aus dem ein Blatt Papier hervorlugt. Wirkt irgendwie amtlich.
    «Der Einspruch gegen den Zwangsabriss ist abgelehnt?», vermute ich.
    «Keine Ahnung.»
    Er kippt etwas Cola aus der Flasche hinunter. Ich ziehe den Brief heraus, der von einem Genlabor in Utrecht in den Niederlanden stammt.
    Häh?
    Ein komplett anderes Thema.
    «Was ist das?»
    «Habe ich heute nachgeschickt bekommen.»
    Ich überfliege den Brief, so gut das bei dem schwachen Kerzenlicht geht, und bleibe am entscheidenden Satz hängen: «Die von Ihnen gesandten Haare stimmen mit der von Ihnen gesandten DNA zu 99   % überein.»
    Cord starrt vor sich hin: «Hat mich 1500   Euro gekostet, aber das war es wert. Hättest du damit gerechnet?»
    Ich habe keine Ahnung, wovon er redet.
    «Um was für Haare geht es da?»
    «Diesen Brief habe ich vierzehn Tage vorher bekommen.»
    Er reicht mir einen weiteren Brief im DIN-A 4-Format , auf Computer geschrieben.
    «Kann ich bei dem Funzellicht nicht entziffern», sage ich.
    «Ich kenne das Schreiben auswendig», flüstert Cord. «
Sehr geehrter Herr Riewerts, hallo Cord, du sollst einfach etwas wissen: Dein Vater ist nicht dein leiblicher Vater. Gezeugt bist du von mir,
wir haben uns leider nie gesehen. Anbei ein paar Haare von mir als Beweise für eine DN A-Analyse

    Kann man das glauben?
    «Moment – dieser Unbekannte behauptet, dass er dein Vater ist? Und nicht Opa?»
    Unsere Familienarchitektur beginnt in meinem Kopf in sich zusammenzufallen. Meine durchschnittliche, langweilige Familie besitzt ein dunkles Geheimnis? Kann eigentlich nicht sein: «Und das schreibt der dir mit PC, ohne Unterschrift und Adresse?»
    Cord legt die Hände flach auf den Tisch, sie zittern wie bei einem Alkoholiker auf Entzug: «Erst dachte ich, das ist irgendein Spinner, aber dann habe ich seine Haare an das Labor geschickt. Und Bingo! Er ist wirklich mein Vater.» Jetzt rückt Cord mit seinem Stuhl näher an mich heran. «Mensch, Sönke, da macht man jahrelange Therapie wegen des Alten, und dann war alles umsonst.»
    «Quatsch, du kennst doch Oma! Die hätte dir auf jeden Fall die Wahrheit gesagt.»
    «Der alte Fuchs hat gewittert, dass ich kein echter Riewerts bin.»
    «Opa hätte dich hochkant rausgeworfen, wenn du nicht von ihm gewesen wärst.»
    «Sagst du. Die Analyse sagt das Gegenteil.»
    Das stimmt allerdings, es sei denn, das Labor hat einen Fehler gemacht. Ich nehme den Umschlag in die Hand: «Wieso hat dir dein angeblicher Vater keine Adresse hinterlassen?»
    «Keine Ahnung.»
    Plötzlich brüllt er los: «Verkauft doch die Bude, ist mir alles egal. Ihr   …» Er bricht ab und murmelt: «Ich muss mal auf Toilette.»
    Dann geht er hinaus.
    Irgendetwas muss passieren, und zwar jetzt.
    Als Erstes muss Cord zur Ruhe kommen. Der steigert sich da in irgendwas hinein. Ich schnappe mir vier Schlaftabletten, zerbrösele sie mit einem Messerstiel auf dem Tisch und schütte sie in die Cola. Cord muss dringend schlafen, sonst dreht er durch.
    Als mein Onkel wiederkommt, schaut er mich mit tränenunterlaufenen Augen an. «Ich möchte wissen, warum mich meine Mutter jahrzehntelang belogen hat.» Er nimmt einen beherzten Schluck von der Cola. Geht doch.
    Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Oma so etwas tun würde. Sie ist ehrlich und direkt bis zur Selbstaufgabe und für hohe Diplomatie vollkommen ungeeignet. Erst recht ihrem eigenen Sohn gegenüber.
    Schwer legt Cord den Kopf auf den Tisch. Das Schlafmittel beginnt wohl schon zu wirken. «Entschuldige, aber ich muss mich etwas ausruhen.»
    Während Cord die Augen zufallen, schleiche ich zur Tür und rufe laut nach draußen: «Maria?»
    Sie ist sofort da.
    Zuverlässig, ganz dabei, mit angespanntem Gesicht und aufmerksamen Augen.
    «Ja?»
    «Hilfst du mir mal?»
    «Was ist?»
    «Ich habe Cord Schlaftabletten gegeben, wir müssen ihn ins Bett tragen.»
    Maria kommt herein und stemmt empört die Hände in die Hüften: «Ey, sind wir eigentlich die Träger für unsere drogenkranke Familie?»
    «Ja.»
    Maria nickt: «Wie immer?»
    Wir packen Cord genau so an, wie wir Oma genommen haben, und tragen ihn ins Schlafzimmer. Zum Glück wehrt er sich nicht, sondern schnarcht sofort los, nachdem wir ihn ins Bett gelegt haben. Behutsam decke ich ihn zu. Nicht böse sein, Cord.
    Neugierig schaut sich Maria in dem Raum um, in dem einige abgerissene Tapetenbahnen locker herunterhängen.
    «So wohnst du also.»
    «Ich liebe halt das

Weitere Kostenlose Bücher