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Oma ihr klein Häuschen

Oma ihr klein Häuschen

Titel: Oma ihr klein Häuschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Mommsen
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unendliche Fläche vor mir vereint sich am Horizont mit dem Himmel. Auf meinen Orientierungssinn habe ich mir immer etwas eingebildet, in Metropolenwie Paris oder London laufe ich zu Höchstform auf. Einmal eine Straße langgegangen, schon ist sie gespeichert und jederzeit abrufbar. Es sind die Details, die haften bleiben, das verblasste kleine c im Schild über dem Café Balzac, der hinkende Obsthändler an der Ecke, der VW Golf mit dem verrosteten belgischen Nummernschild – alles eben, woraus sich eine Geschichte konstruieren lässt.
    Das kann ich hier vergessen.
    Wir sind alleine im Watt, denn bei so einem Sturm werden sämtliche Touristentouren abgesagt. Was ist, wenn sich das Wetter weiter verschlechtert und auch noch Nebel aufkommt? Ein Handy nützt dann nichts mehr, denn wie soll man im Nebel seine Position beschreiben? Hätte Maria für diesen Fall ein GP S-Gerät dabei? Egal. Sie kennt sich hier aus, ich muss ihr vertrauen. Und bin gleichzeitig abhängig von ihr. Das passt mir zwar nicht, aber jetzt geht es um Oma, nicht um mich.
     
    Der Wind lässt nicht nach, er ist weiterhin stark und beständig. Maria schaut sich kurz um, ob bei mir alles okay ist.
    Ich habe keine Lust, mit ihr zu reden.
    Wir befinden uns in einem Biosphärenreservat: Wenn sie mich behandelt wie eine bedrohte Tierart, der man sich nicht nähern darf, ist alles bestens. Nach dieser Aktion werden wir uns ohnehin mindestens zehn Jahre nicht sehen, schätze ich.
    Um mich abzulenken, zwinge ich mich zu einem stillen Erdkundereferat über den Ort, an dem ich mich gerade befinde. Das lenkt ab und beruhigt mich. Der Name «Wattenmeer» leitet sich aus dem friesischen Wort «wad» ab, was «seicht» bedeutet. Es ist eines der größten Feuchtgebiete der Erde, vierhundertfünfzig Kilometer lang, und erstreckt sichvon der dänischen Nordseeküste bis zur niederländischen Stadt Den Helder. Ein Quadratmeter Watt enthält mehr tierische Biomasse als der Boden tropischer Urwälder. Zweimal am Tag wird bei Ebbe der Meeresboden auf einer Breite von bis zu zwanzig Kilometern freigelegt. Nach rund sechs Stunden spült die Flut regelmäßig neue Nährstoffe an. Was weiß ich noch?
    «Fliegen   …»
    Das ist Marias Stimme, die irgendwo von links kommt. Es ist das erste Mal, dass sie etwas sagt, seit einer halben Stunde. Ich weiß natürlich sofort, was sie will. Eigentlich habe ich keine Lust, aber ich will kein Spielverderber sein.
    «…   ist   …»
    Unser altes Einwortspiel von damals: Jeder sagt ein Wort, und daraus entsteht dann eine Geschichte.
    «…   eine   …»
    «…   schöne   …»
    «…   Nebensächlichkeit Komma   …»
    «…   die   …»
    «…   Nagetieren   …»
    «…   vollkommen   …»
    «…   egal   …»
    «…   ist Punkt»
    «Denn   …»
    «…   Nagetiere   …»
    «…   lieben   …»
    «…   den   …»
    «…   Untergrund Komma   …»
    «…   weil   …»
    «…   sie   …»
    «…   hier   …»
    «…   Flugzeuge   …»
    «…   nicht   …»
    «…   hören Punkt Aus.»
    Wir schauen uns kurz an, während wir beharrlich weiter auf Amrum zuwandern. Eine mächtige Sturmmöwe mit grau-weißem Gefieder und gelbem Schnabel segelt über uns, in der Hoffnung auf ein paar Brotkrumen. Ich tauche wieder ab in meine Gedanken, die sich auf dem Meeresboden neu sortieren. Wahrscheinlich, weil es hier keine vorgeformten Wege gibt.
    «Wieso bist du eigentlich seit einem Jahr Single?», will Maria wissen.
    Ein ganz schlechtes Thema.
    «Bei dir ist es ja vorbei seit letzter Nacht.»
    Ich kann es einfach nicht übergehen.
    «Was?»
    «Na, dein Blind Date», erinnere ich sie.
    Maria senkt den Kopf, als träfe sie gerade eine Windbö: «Ja?»
    «Wie lange warst
du
denn Single?», frage ich.
    «Länger als du, vermute ich.»
    Immerhin ehrlich.
    «Schraubt man da seine Ansprüche runter oder rauf?»
    Maria sieht beleidigt nach vorne.
    «Soll das heißen», schnaubt sie, «dass ich jeden nehmen würde?»
    «Ich frage mich das ernsthaft – auch für mich.»
    Sie lässt etwas Druck ab: «Ah ja?»
    «Früher habe ich geglaubt, nur Gestörte sind lange allein. Du weißt schon, solche, die am Hauptbahnhof abhängen, um unter Menschen zu kommen.»
    «So etwas gibt’s hier auf Föhr nicht. Bei uns hocken die allein in ihren Hütten und besaufen sich vor der Glotze.»
    «Genauso werde ich auch enden.»
    Maria verzieht das Gesicht: «Jammerst du immer so rum?»
    «Nur weil du gestern einen Kerl

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