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Oma ihr klein Häuschen

Oma ihr klein Häuschen

Titel: Oma ihr klein Häuschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Mommsen
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gerissen hast, musst du mich nicht blöde anmachen!», blaffe ich zurück.
    Maria verstummt.
    Endlich.
    Der feuchte Meeresboden zeichnet die Wellenbewegung mit seinen durchlaufenden Sandrippeln nach. Wenn ich nach unten schaue, kommen sie mir vor wie ein Modell der felsigen Wüsten Neufundlands, über das ich im Tiefflug hinwegjage.
     
    Mittlerweile ist Amrum zum Greifen nah. Doch zwischen uns und der Insel befindet sich noch ein ungefähr dreißig Meter breiter Priel, durch den eiskaltes Wasser mit Höchstgeschwindigkeit rast.
    «Wie tief ist das?», erkundige ich mich vorsichtig.
    «Unterschiedlich», überlegt Maria, während sie das Wasser genau beobachtet, «heute ist starker Wind, da läuft die Flut höher auf als sonst.»
    «Will sagen?»
    «Bis zum Hintern mindestens.»
    «Also runter mit der Hose?»
    «Jo.»
    Es ist immer noch sehr kalt, und plötzlich regnet es wie aus Eimern. Alles in mir weigert sich, bei diesen Temperaturen Regenhose und Jeans auszuziehen, aber es geht nicht anders. Nur Jacke und Unterhose behalten wir an. Ich schaue nicht zu Maria, denn ich habe genug damit zu kämpfen, dass der Wind mir unbarmherzig auf den Unterkörper bläst. Mutig stürme ich in den Strom.
    Was uns nicht tötet, macht uns härter?
    Falsch, das eisige Meerwasser tötet mich auf der Stelle! Es gibt jedenfalls ernstzunehmende Rückmeldungen von Blase und Nieren, die in diese Richtung gehen. Das Wasser reicht mir bis zur Hüfte, und da Maria ein paar Zentimeter kleiner ist, steckt sie noch etwas tiefer drin. Die Strömung ist so stark, dass wir mit ausholenden Armbewegungen durch den Fluss rudern. Dazu kommen der Regen und Wasser von allen Seiten. Würde ich mich ein bisschen gehen lassen, könnte ich bei der arktischen Wassertemperatur (in Wirklichkeit wahrscheinlich dreizehn, vierzehn Grad) nur noch schreien.
    Wie hat Oma das bloß geschafft, mit großem Rucksack auf dem Rücken?
    Mitten im Fluss ruft Maria mir zu: «Ich habe gestern Nacht bei einer Freundin geschlafen.»
    «Es gab gar kein Blind Date?», schreie ich zurück.
    Je lauter man redet, desto weniger zittert man, stelle ich fest. Maria bleibt mitten im Priel stehen und öffnet ihre Kapuze. Der Wind ergreift sofort ihre dichten Haare und wirbelt sie nach allen Seiten.
    «Mir wurde es irgendwie zu eng mit dir.»
    Ich lasse sie stehen und gehe unbeirrt weiter. Es gibt nur ein Ziel für mich: raus aus dem Wasser!
    «Wieso hast du mich dann eingeladen?», rufe ich nach hinten.
    Keine Antwort.
    «Habe ich etwas falsch gemacht?», setze ich nach.
    «Nein.»
    Sie holt auf und läuft jetzt wieder neben mir. Meine Körperoberfläche ist vollkommen betäubt, die Kälte breitet sich mittlerweile auch von innen aus.
    «Ich   … es war lange niemand bei mir. Da muss ich mich erst mal wieder dran gewöhnen.»
    Maria zieht an mir vorbei, sodass sie ein paar Schritte voraus ist. Vermutlich will sie ihre Verlegenheit vor mir verbergen.
    «Und das ist so heftig, dass du gleich fliehen musst?», wundere ich mich. Ich hätte ihr mehr Souveränität zugetraut.
    «Kann ich nicht erklären», ruft sie.
    «Soll ich abhauen?»
    Maria dreht sich um, während sie weitergeht: «Nein. Ich würde es schön finden, wenn du bleibst.»
    Ja, was denn nun?
    Zum Glück sind wir endlich auf der anderen Seite. Der Rand des Priels ist sehr steil, ich muss all meine Kraft zusammennehmen, um mich hochzuhangeln, ohne ins Wasser zu stolpern. Aber dann ist es geschafft. Ich zerre bibbernd ein Handtuch aus meinem Rucksack und rubbele mich trocken. Dann springe ich, so schnell ich kann, wieder in meine Hose.
    Maria ist schon fertig.
    Wir traben jetzt auf die Nordspitze von Amrum zu, damit uns warm wird. Die hohen Dünen erscheinen mir als sicheres Festland. Große Schilder warnen davor, sie zu betreten, das gesamte Areal ist ein Vogelschutzgebiet. Wir gehen auf einem asphaltierten Feldweg in Richtung des ersten Ortes mit dem schmucklosen Namen Norddorf. Irgendwo bei den ersten Häusern soll Oma sein, so hat es der Taxifahrer beschrieben.
    «Meinst du, es ist richtig, was wir machen?», überlege ich laut.
    Maria bleibt stehen: «Was meinst du?»
    «Oma wird ihre Gründe für die Geheimnistuerei haben. Sollten wir sie nicht besser in Ruhe lassen? Stell dir vor, man würde dir hinterherspionieren.»
    Maria bleibt stehen, während ich ein paar Schritte weiter gehe.
    «Vielleicht hast du recht.»
    Sie zögert ebenfalls? Das habe ich nicht erwartet. Ehrlich gesagt, hatte ich gehofft, dass sie mich vom

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