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Oma ihr klein Häuschen

Oma ihr klein Häuschen

Titel: Oma ihr klein Häuschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Mommsen
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wiederholt Cord.
    Quatsch.
    «Ja, Cord.»
    Cord lässt die Dünenbilder nicht aus den Augen: «Aber er wollte, dass ich weggehe. Er lehnt mich genauso ab wie mein Stiefvater», jammert er und behält dabei immer noch die Dünenbilder im Auge.
    «Cord, Johannes ist schwer krank.»
    «Aber ich bin immerhin sein Sohn!», ruft er und rennt aus dem Haus.
    «Na, denn fröhliche Rückfahrt, Sönke», sage ich laut zu mir selbst, um mir Mut zu machen.
    Christa nimmt meinen Arm: «Du bist nicht sein Therapeut, Sönke. Er ist für sich selbst verantwortlich.»
    «Und wenn er über Bord springt?»
    «Wird er nicht», ist sich Christa sicher. Wenn sie wirklich das «zweite Gesicht» hat und in die Zukunft sehen kann, wird es stimmen.
    «Gut.»
    «Es gibt noch etwas», druckst Christa herum.
    «Für die Kamera hast du noch einen gut bei mir.»
    Ich weiß auch nicht, warum mir gerade jetzt die Kamera einfällt, es passt eigentlich gar nicht.
    «Die Kamera?»
    «Die ich vom Deich geschleudert habe. Es tut mir leid.»
    Christa winkt ab: «Ich hatte es verdient, und außerdem ist sie heil geblieben. Nein, es ist etwas anderes   …»
    «Was denn?»
    «Johannes wünscht sich, am Strand zu sterben», sagt sie leise, «und er möchte Imke dabeihaben.»
    «Hm.»
    «Kann sie kommen?»
    «Oma ist sehr schwach, und bis jetzt wissen die Ärzte noch nichts Genaues.»
    Christa schaut mich bittend an: «Es ist Johannes’ letzter Wille.»
    «Ich werde Oma fragen.»
    «Es würde ihm den Abschied leichter machen.»
    «Wie viel Zeit hat er noch?»
    «Schwer zu sagen, aber ich denke, wir sollten ihn morgen früh zum Strand bringen.»
    Mir läuft ein kalter Schauer über den Rücken.
    Wer ist «wir»?
    Bin auch ich damit gemeint?
    Wie sollen wir das machen?
    Ohne Arzt?
    Zu welchem Strand? Hier sind doch überall Urlauber!
    Bisher war ich nur auf einer einzigen Beerdigung, der meines Opas. Meine Großeltern väterlicherseits sind vor meiner Geburt verstorben. Dass Menschen sterben, war für mich abstrakt, es betraf andere, die ich nicht persönlich kannte. Es gab sie, das wusste ich, aber nicht in meinem Leben.
    Diese beruhigende Illusion löst sich gerade mit aller Macht auf.
    «Ich tue mein Bestes», verspreche ich leise.
    Was nicht viel sein wird, fürchte ich.
    Draußen vorm Haus wartet Cord neben seinem Geländewagen auf mich. Er ist nicht ansprechbar. Vernünftigerweise überlässt er mir das Steuer seines Volvos, um uns zur Fähre nach Wittdün zurückzubringen.
    Während der gesamten Überfahrt bleibt Cord im Wagen sitzen. Was läuft da gerade bei ihm ab? Soll ich ihn in eine psychiatrische Klinik bringen? Da hätte ich doch Hemmungen, mal abgesehen davon, dass wir dafür aufs Festland müssten.
    In Wyk halte ich kurz an der Polizeiwache. Maria ist nicht da, aber sie hat bereits ihren Kollegen Petersen instruiert, dem ich die Tüte mit Johannes’ Haaren übergebe. Er verspricht, sie sofort zur Spurensicherung nach Husum zu schicken. Die erste gute Tat von diesem Typen, seit ich auf der Insel bin.
    Cord sagt bis zu unserem Haus in Nieblum kein Wort. Es ist wohl besser, wenn jetzt jemand bei ihm bleibt. Ich spreche Maria kurz auf die Mailbox und lege mich neben ihn auf das gute alte Schleiflackbett. Wie gerne würde ich hinzufügen, dass dies die erste Nacht wäre, in der Cord nicht schnarcht.
    Aber das wäre gelogen.

22.   Entführung aus dem Inselkrankenhaus
    Am nächsten Morgen ist Sonntag, und ich wache von selbst mit einem Magengrummeln auf. Es ist, als hätte ich heute eine wichtige Prüfung zu bestehen. Das Gefühl im Bauch kenne ich noch von Matheklausuren in der Schule, für die ich immer zu wenig getan hatte. Eigentlich dachte ich, dass diese Art von seelischem Stress längst hinter mir liegt. Genau wie damals bin ich durch nichts vorbereitet und kann auf nichts zurückgreifen.
    Arne, den ich gestern noch telefonisch über alles informiert habe, holt mich in Nieblum ab, wovon Cord zum Glück nichts mitbekommt, denn er schläft noch. Ich habe mir ein frisches schwarzes T-Shirt und eine Unterhose aus seinem Koffer genommen. Ein bizarres Gefühl, aber was soll ich machen? Schließlich sind alle meine Klamotten bei Maria. Über dem T-Shirt trage ich den Seemannspullover und das Jackett von gestern. Dass wir Cord nicht mitnehmen zum Tod seines vermutlichen Vaters, wird er mir bis in alle Ewigkeit nachtragen. Aber mit ihm würde es die Hölle werden – für Johannes.
    Eine steife Brise fegt durch die Stadt, dazu scheint die Sonne.

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