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Oma ihr klein Häuschen

Oma ihr klein Häuschen

Titel: Oma ihr klein Häuschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Mommsen
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würden?»
    Widerwillig stellt Omas Bettnachbarin mit der Fernbedienung den Ton ab, aber die Bilder flackern weiter, was bei einer Talkshow besonders sinnlos ist. Zusammen mit ihrem Mann gehen wir auf den Flur. Arne und ich betrachten intensiv die abstrakten bunten Segelbootbilder, als wenn sie uns wirklich interessierten. Da klingelt mein Handy, Christa ist dran, aus Amrum: «Wie weit seid ihr?»
    «Ist gerade Visite.»
    «Beeilt euch, es dauert nicht mehr lange.»
    Eine Krankenschwester am Ende des Flurs entdeckt mich mit dem Handy und ruft: «Aus damit! Aber sofort!»
    Statt einer Antwort stürme ich zurück ins Krankenzimmer, wohin Arne mir zögerlich folgt. Oma ist wach, der junge Stationsarzt misst gerade ihren Blutdruck.
    «Moin, Arne, mein Junge, Moin, Sönke, mein Lieber», begrüßt uns Oma.
    «Moin, Oma.»
    «Würden Sie bitte draußen warten?», empört sich der junge Stationsarzt.
    «Nein, wir müssen Frau Riewerts sofort mitnehmen.»
    «Ausgeschlossen.»
    «Was ist los?», fragt Oma schwach.
    «Johannes liegt im Sterben», kläre ich sie auf. Jetzt schaut Oma den Arzt entschuldigend an und löst die Manschette: «Ich muss dann mal   …»
    Der Arzt sieht seine Autorität schwinden und wendet sich an mich: «Das ist nicht möglich.»
    «Es ist ein Notfall», widerspreche ich.
    Der Arzt überlegt. Offensichtlich hat er unseren Wortfetzen entnommen, worum es geht. «Können Sie den Sterbenden nicht herbringen? Er wird hier bestens versorgt.»
    Dafür gibt es zwar den Kreativitätspunkt, aber leider funktioniert das nicht.
    «Der Mann ist auf Amrum», erklärt Arne.
    «Aber Frau Riewerts kann jetzt unmöglich auf die Nachbarinsel fahren.»
    Ein letztes Aufbäumen.
    «Doch», flüstert Oma.
    Der Arzt ist
not amused
: «Das Risiko   …»
    «…   ist höher, wenn ich nicht bei ihm bin», ergänzt Oma, «weil ich dann vor Sorge sterbe.»
    «Ich muss Sie warnen.»
    «Auf eigene Verantwortung», unterbreche ich und lösedie Bremsen von Omas Bett. «Entschuldigen Sie, es muss schnell gehen.»
    Arne hilft schieben.
    Während wir das Bett die Gänge entlangbugsieren, starren uns Personal und Patienten feindselig an, als wäre das eine Entführung. Wir eilen durch die Notaufnahme hinaus. Draußen auf dem Parkplatz betten wir Oma vorsichtig in den V W-Bus , in den Arne vorausschauend eine Matratze gelegt hat, die mit einem roten Spannbettlaken bezogen ist. Oma trägt das Nachthemd aus dem Krankenhaus, weiß mit blauen Punkten, das hinten offen ist. Ihr Gesicht hat einiges an Farbe verloren, aber ihre Füße sind immer noch tiefbraun und die Nägel leuchtend rot lackiert.
    Jetzt kommt die Schwester, die mich wegen des Handys ausgeschimpft hat, mit einem Klemmblock unter dem Arm angerannt. Oma muss unterschreiben, dass sie das Krankenhaus auf eigene Verantwortung und gegen den Willen des behandelnden Arztes verlässt.
     
    Vorsichtig fährt Arne zum Sportboothafen, wo Maria bereits auf dem Kai auf uns wartet. Ein Lichtblick. Sie trägt eine schwarze Hose und eine schwarze Windjacke, ihr Gesicht wirkt angespannt und weich zugleich. Neben ihr liegen ein zusammengerollter bunter Windschutz und ein Sonnenschirm sowie ein Mumienschlafsack.
    «Oma, wie geht es dir?», fragt sie liebevoll.
    «Eine Bootstour ist jetzt genau das Richtige», lügt Oma mit angespanntem Blick.
    «Ich muss auf der Wache noch kurz einen dringenden Bericht schreiben und komme dann nach», sagt Maria.
    Bitte, Maria, hat das nicht Zeit? Ich wäre ruhiger, wenn du dabei wärst.
    Statt mein inneres Flehen wahrzunehmen, fragt sie: «Wie geht es Cord?»
    «Als ich wegging, hat er noch geschlafen.»
    Maria schaut mich nachdenklich an. «Das Genmaterial ist schon bei der Spusi in Husum, die sind dran.»
    Ich beschließe, dass jetzt keine Zeit zu verlieren ist. Maria kommt nach – ihre Entscheidung. Schnell rufe ich Christa an, die leider nicht ans Telefon geht. Ich spreche ihr auf die Mailbox, dass wir unterwegs sind.
    «Hoffentlich ist es noch nicht zu spät», sorgt sich Oma.
    Die ersten Urlauber mit hellen langen Cargo-Hosen und fröhlichen Baseballcaps schlendern bereits entspannt auf dem Kai und machen Fotos.
    «Hältst du durch, Oma?», frage ich bange.
    «Klar», flüstert sie.
     
    Arne ist auf dem Wasser ein Künstler. Er hat das Rivaboot direkt quer an einen Steg gelenkt. Jetzt muss Oma ihre ganze Kraft zusammennehmen, Maria und ich stützen sie, und zusammen fallen wir mehr auf das Boot, als dass wir gehen. Maria legt den Mumienschlafsack auf

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