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Oma klopft im Kreml an

Oma klopft im Kreml an

Titel: Oma klopft im Kreml an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Telscombe
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unfreundlich. «Aber ich hoffe, daß ich ihn nicht in Anspruch zu nehmen brauche. Ich bin fast davon überzeugt, daß meine Tante Moskau bereits verlassen hat.»
    Mr. Ferreira wiegte weise sein Haupt.
    «Aber Sie können nicht ganz sicher sein. Die Miss Bakers dieser Erde sind sehr entschlossene Persönlichkeiten.»
    «Miss Baker?» rief Stewart mit plötzlich erwachendem Interesse. «Heißt sie wirklich so? Aber das ist ja meine alte Oma.»
    «Was heißt
    «Na ja, ich fühle mich sozusagen verantwortlich für sie. Sie wissen ja, wie das ist. Alle Neulinge in Moskau holen sich bei irgend jemand Rat. Sie sind zu Manuel gegangen und sie ist zu mir gekommen. Nicht daß sie auch nur die geringste Notiz von dem genommen hat, was ich ihr gesagt habe. Soweit ich mich entsinne, habe ich ihr geraten, es aufzugeben und nach Hause zu fahren. Aber es würde mich sehr überraschen, wenn sie das getan hätte. Im Gegenteil, ich habe eigentlich jeden Tag erwartet, daß sie noch einmal zu mir kommt.»
    «Aber das ist ja großartig», rief Mr. Ferreira, tief befriedigt, daß er nicht nur Humphreys Ehrbarkeit durch eine Konfrontation mit der Presse erschüttert hatte, sondern ihm damit auch etwas wirklich Gutes antun konnte. «Ich hätte Ihnen keinen besseren Ratgeber beschaffen können. Er kennt Miss Baker bereits und wird sie für Sie finden. Jetzt muß ich gehen und mich um meine Flugkarten kümmern.»
    Sehr zufrieden mit seinem Werk machte er sich davon, während Humphrey in hilflosem Zorn auf einen Vertreter jenes Teils der Ausländerkolonie blickte, den er auf jeden Fall meiden wollte.
    «Kommen Sie rauf in mein Zimmer und trinken Sie was», schlug Stewart vor, der merkte, daß das erste Wort von ihm kommen mußte.
    «Warten Sie -» begann Humphrey und hielt inne. Er hatte noch nie etwas mit der Presse zu tun gehabt und hatte keine Ahnung, welche Taktik man am besten verfolgt, wenn man versucht, sie abzuservieren. Also war es wohl am besten, es mit vertrauensvoller Offenheit zu versuchen.
    «Hören Sie, Ferguson, mir liegt ganz besonders daran, das Ganze aus den Zeitungen herauszuhalten», sagte er mit etwas erzwungener Aufrichtigkeit. «Ich sehe auch nicht, wie es von geringstem Interesse für Sie sein kann. Meine Tante ist einfach nur ein bißchen exzentrisch...»
    «Sie vergessen, daß ich Miss Baker kenne», erinnerte ihn Stewart.
    «Und ihre Exzentrizität hat dem Daily Guardian bereits eine Story eingebracht.»
    «Oh, war das Ihr Artikel?» sagte Humphrey mißtrauisch. «Na ja, hoffentlich denken Sie sich keine neuen aus.»
    «Ich werde sie mir nicht », gab Stewart zurück. «Aber wenn sie wirklich etwas Interessantes macht, kann ich nicht versprechen, nicht darüber zu schreiben. Als ich sie das letzte Mal sah, hatte sie ein paar sehr hoffnungsvolle Pläne. Kommen Sie und trinken Sie was, dann erzähl ich Ihnen alles.»
    Sie fuhren mit dem Aufzug zum vierten Stock und schlenderten den Korridor entlang.
    «Hier ist mein Zimmer», sagte Stewart und steckte den Schlüssel ins Schloß. «Und dort unten auf der andern Seite wohnte Ihre Tante.»
    Er blickte den Korridor hinab, um auf Miss Bakers Zimmer zu deuten, an dessen Tür gerade ein großer, älterer Mann klopfte. Nachdem er geklopft hatte, trat er einen Schritt zurück und wartete geduldig in einer Haltung, als hätte er diesen Vorgang schon öfter wiederholt. Dann zuckte er die Achseln, wandte sich um und kam auf sie zu.
    Die Korridorbeleuchtung war direkt vor Fergusons Tür, und als der Fremde aus dem Schatten hervortrat, sah Humphrey, daß er eine reich bestickte Bauernbluse unter seinem langen, hellbraunen Staubmantel trug. Der Mann hatte ein breites, freundliches Gesicht und trug eine Hornbrille, die ihm ein intellektuelles Aussehen gab, so daß er entweder ein Universitätsprofessor sein konnte oder der Präsident einer Kolchose; auf alle Fälle aber sah er sehr erfolgreich aus.
    Er lächelte unsicher, als er an ihnen vorbeiging, und murmelte etwas zu Stewart auf russisch.
    «Was hat er gesagt?» fragte Humphrey.
    «Daß er Pech hat. Es ist niemand da.»
    «Aber das war das Zimmer von meiner Tante, nicht?»
    «Ja, jetzt wohnt aber jemand anders drin.»
    Stewart hatte seine Tür geöffnet und wollte gerade Humphrey eintreten lassen, als der Russe, der zögernd weitergegangen war, plötzlich: einen Entschluß faßte und zurückkam. Sein Gang war merkwürdig schlaksig, als ob er auf unsicherem Boden ginge.
    «Sie sind Engländer», sagte

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