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Oma klopft im Kreml an

Oma klopft im Kreml an

Titel: Oma klopft im Kreml an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Telscombe
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den Namen von seinem Freund bei der Prawda sagen können, wenn wir ihn danach gefragt hätten.»
    «Und warum nicht?» fragte Humphrey böse.
    «Weil seine ganze Geschichte eine einzige Lüge war. Fragen Sie mich nicht, woher ich das weiß. Man kann das riechen, wenn man eine Zeitlang hier ist. Hat irgendein anderer Sowjetbürger, den Sie getroffen haben, so unschuldig getan oder war so offen und freundlich zu Ausländern? »
    «Außer Dolmetschern und Verwalterinnen sind mir noch keine Sowjetbürger begegnet», murmelte Humphrey.
    «Mir aber», sagte Stewart. «Und ich kann Ihnen sagen, daß keiner von den echten - das heißt, die nicht irgendeine von der Partei gebilligte Mission erfüllen - auch nur im Traum daran denken würde, auf der unschuldigen Suche nach einem Ausländer ein Intourist-Hotel zu betreten. Sie würden sich an einer Straßenecke mit ihm treffen oder in einem Restaurant. Er ist hier hereingeschneit, als hätte er das Recht, hier nach Belieben herumzuwandern und so offen und redselig zu sein, wie er will.»
    «Er hat Ihnen aber seine Adresse nicht gegeben», wandte Humphrey ein.
    «Weil er keine hat und weiß, daß ich das nachprüfen kann.» Stewart dachte einen Augenblick nach und brachte dann einen neuen Gedankengang vor. «Außerdem: wenn er nicht schon vorher wußte, daß Sie Miss
    Bakers Neffe sind, warum war er dann nicht überrascht, als Sie es ihm sagten?»
    «Er hat doch gesagt, daß er mein schnelles Englisch nicht verstehen konnte.»
    «Das sagen sie alle, wenn sie Zeit für eine Antwort brauchen. Und sein Englisch war nachher gar nicht so
    Stewart holte eine Flasche Whisky und zwei Zahngläser aus seinem Badezimmer und hockte sich beim Korkenziehen auf den Arm des Sofas.
    «Nur eine Sache ist mir bei unserm Besucher nicht ganz klar - offensichtlich ist er meinetwegen gekommen und nicht wegen Miss Baker. Sonst hätte er nicht so genau die Zeit abgepaßt, zu der ich immer vom Restaurant heraufkomme. Wahrscheinlich hat die Stockwerks Verwalterin Bericht erstattet, daß Miss Baker einige Male bei mir war.»
    Er goß den Whisky ein und schien mit sich selbst zu sprechen. «Aber ich kann das nicht verstehen», sagte er. «Wenn Miss Baker noch in der Sowjetunion ist, dann muß doch der Sicherheitsdienst des Innenministeriums wissen, wo sie ist. Warum also der Umstand, jemand zum Aushorchen zu uns zu schicken? Sie müssen doch wissen, daß wir keine Ahnung haben, wo sie ist. Komisch. Vielleicht wollten sie sehen, ob wir uns Sorgen um sie machen.»
    «Das wissen sie doch auch», sagte Humphrey. Seit der Episode mit Fjodor Iwanowitsch Makejew hatte er sein Mißtrauen gegenüber Stewart Ferguson verloren. Wenn er auch Zeitungskorrespondent war, so war er doch immerhin Engländer. «Die Botschaft hat sich ja bereits ans Außenministerium gewandt.»
    «Stimmt, Manuel hat mir erzählt, daß er Ihnen das geraten hat», sagte Stewart nachdenklich. «Vielleicht ist sie irgendwo in die Bredouille geraten, und sie wollen herauskriegen, ob sie mit einem von uns in Verbindung getreten ist.»
    «Mit mir kann sie nicht in Verbindung treten, weil sie gar nicht weiß, daß ich hier bin», wandte Humphrey ein.
    «Dann sieht es ja so aus, als ob ich der einzige bin, den sie in Moskau besser kennt», überlegte Stewart. «Ich verspreche Ihnen, daß ich Ihnen Bescheid gebe, sowie ich etwas höre. Wahrscheinlich sind Sie nicht bereit, dasselbe für mich zu tun.»
    Humphrey sagte, wahrscheinlich nicht, aber sie trennten sich freundschaftlich, und als sie sich später im Restaurant beim Abendessen wieder begegneten, entspann sich zwischen ihnen eine freundliche Diskussion über Kriminalromane, auf deren Höhepunkt sich Humphrey erbot, Stewart den Krimi zu leihen, den er während des Fluges gelesen hatte.
    Sie fuhren einträchtig in den zweiten Stock, um das Buch aus Humphreys Koffer zu holen. Vor der Zimmertür hörten sie das Telefon klingeln. Humphrey öffnete blitzschnell die Tür, stürzte ans Telefon und überließ es Stewart, Licht zu machen.
    «Ja», sagte er, «hier ist Humphrey Napier.»
    Als er die Stimme des Vizekonsuls erkannte, versuchte er mit einem Blick auf Stewart zuerst nichtssagende Antworten zu geben, ließ dann aber alle Diskretion außer acht und fragte ungläubig:
    «Was heißt, Sie haben ihren Paß?»
    «Genau das, was ich sage», tönte die helle junge Stimme des Vizekonsuls aus dem Hörer. «Wir sind genauso verblüfft wie Sie. Vor etwa zwanzig Minuten hat das Ministerium Miss

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