Oma packt aus
überhörte den Einwand. »Die ganze Sippe kehrt sofort heim! Keine Minute länger bleibt ihr in diesem Mafianest.«
Ich überlegte, ob es sinnvoll war, ihn über diese heilige und so weiter Krone und die Sache mit den Tomatenfeldern aufzuklären.
War mir bloß gerade zu kompliziert, also ließ ich es lieber bleiben.
»Ich bin aber ziemlich müde.«
»Aufwachen!«, schrie er. »Du kannst nicht meine Familie entführen und dich dann schlafen legen.«
»Ich schlaf doch gar nicht!«
»Aufwachen!«
Ich gab mir Mühe, war aber schwierig. Ein nasses Handtuch landete in meinem Gesicht.
Vor Schreck fuhr ich hoch. Hatte sich Opas Geist jetzt materialisiert? War der in der Lage, ein Handtuch nass zu machen und mir ins Gesicht zu klatschen?
Nee, es war bloß Jan.
»Mensch, Opa-Jan.«
»Kröte, komm mal wieder zu dir. Ich muss mit dir reden.«
»Später.«
Starker Kaffeeduft kitzelte meinen Geruchssinn. Ich linste zu der winzigen Espressotasse, die Jan unter meiner Nase hin und her führte.
Na gut. Mit Kaffee ging es vielleicht. Danach konnte ich beide Augen öffnen.
»Was ist denn los?«, fragte ich, als das Gebräu meine Nerven wachrüttelte.
Mein Bruder sah so besorgt aus, dass ich es erst mal mit der Angst bekam.
»Ist was passiert?«
Er schüttelte den Kopf und reichte mir ein großes Glas Wasser. Ich trank gehorsam. Vielleicht wollte er mir ja eine Eifersuchtsszene machen. Ich musste ein Kichern unterdrücken.
»Es geht um Paul.«
Nee, das war nicht lustig.
»Er hat mir wieder eine Mail geschickt.«
»Und mich hat er zweimal angerufen, aber nicht erreicht.«
Jan runzelte die Stirn. »So ganz konsequent ist der Mann nicht in seinen Beschlüssen.«
Nicht? Passte gar nicht zu Paul.
»Was hat er dir geschrieben?«
»Dass er seine Angelegenheiten in München geregelt hat.«
»Nur das? Und deshalb hast du diese Panik im Gesicht?«
»Na ja, er …«
»Spuck’s aus, Jan.«
»Er wollte wissen, wo wir sind.«
In meinem Gesicht stand jetzt vermutlich auch blanke Panik. »Und du hast es ihm verraten?«
»Ja.«
Dio mio! »Und er? Was meinte er dazu?«
»Also, ich habe ihm in groben Zügen alles erzählt, und er hat gesagt, er will sich überlegen, was zu tun ist.«
Das klang wieder ganz nach Paul. Umständlich und alles andere als spontan.
»Der wird schon nicht herkommen«, sagte ich. Ein Teil von mir hätte sich darüber gefreut, dem anderen Teil war alles viel zu kompliziert. Und dieser Teil war im Augenblick größer.
Wir schwiegen eine Weile vor uns hin, bis Jan fragte: »Sag mal, Nele, du und Marcus Antonius – geht da was?«
Mein Bruder hatte in Geschichte auch gut aufgepasst.
»Ach, Quatsch!«, sagte ich ein bisschen zu schnell.
»Pass bloß gut auf dich auf.« Jan kannte mich gut. »Der ist gefährlich, Nele.«
»Für dich oder für mich?«
Ein schwaches Grinsen malte sich auf seinem schönen Gesicht ab.
»Schwul ist er jedenfalls nicht. Leider, oder vielleicht zum Glück.«
»Oder umgekehrt.«
Wir grinsten jetzt um die Wette.
»Deine Mutter hat bei ihrem Imperator freie Hand.«
Ich dachte einen Moment voller Schreck an Mama.
»Ach so, Irene. Na, die darf ja auch.«
Jan nickte. »Was wirst du jetzt tun, Nele?«
Ich überlegte. »Kann ich hier drin bleiben, und du reichst hin und wieder Wasser und Brot rein, bis wir wieder abfahren?«
Jan lachte. »Das wäre unhöflich.«
»Ich könnte doch eine plötzliche schwere Krankheit haben.«
»Ja. Liebesfieber.«
Klasse Idee, fand ich.
»Nix da«, entschied Jan. »Sieh das Ganze als eine Prüfung für deine Liebe zu Paul. Wenn du die bestehst, wird dich nichts mehr vom Weg abbringen.«
Okay.
Und wenn nicht?
22. Grete The Ripper
Für das Abendessen war es noch zu früh, also entschloss ich mich zu einem Spaziergang. Der viele Stress mochte ja Kalorien verbrennen, aber angesichts der üppigen Mahlzeiten nicht genug. Zwar war ich froh, nicht mehr so mager wie früher in München zu sein, aber ein bisschen wollte ich schon auf meine Figur achten.
»Kommst du mit?«, fragte ich Jan.
Für den Fall, dass mir im Hof ein Imperator auflauern sollte, konnte ich einen Bodyguard gebrauchen.
»Nein, sorry. Ich will mit Margherita ein Tiramisù für Rüdiger zubereiten.«
»Na, hoffentlich bleibt für uns auch was übrig.«
»Versprochen«, sagte Jan. »Der Dicke soll sich ja nicht überfressen.«
Das waren geradezu prophetische Worte, wie sich später herausstellen sollte.
Ich zog mir eine leichte Jacke über. Nach Sonnenuntergang
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