Omega Kommando
erwiderte sie abwehrend.
»Aber jemand mußte den Mördern das sagen, nicht wahr? Und vielleicht hat die gleiche Person – oder die gleichen Personen – am Montagnachmittag in die andere Richtung geschaut oder fünf Minuten lang den Stecker aus Ihrer Millionen-Dollar-Überwachungsanlage gezogen.« Blaine hielt inne. »Sie hören mich noch immer an, Madame.«
»Ihre Schlußfolgerungen sind unbegründet. Diskretion war immer von vordringlicher Bedeutung für uns. Meine Leute hier durchlaufen mehr Sicherheitsüberprüfungen als der Mitarbeiterstab des Präsidenten.«
»Und über Ihre Leute hinaus?« fragte er herausfordernd. »Jemand könnte etwas gewußt haben. Genug gewußt haben.«
»Nein«, erwiderte die Frau nach einer so langen Weile, daß Blaine überzeugt war, sie hielt etwas zurück.
»Madame Rosa«, setzte er nachdrücklicher an und log bewußt, »ich bin auf eigene Verantwortung hier, ohne offiziellen Auftrag. Das ist eine rein persönliche Angelegenheit. Tom Eastons Mörder dürfen nicht ungestraft davonkommen. Sonst wäre keiner von uns mehr sicher.«
»Ich versichere Ihnen, ich weiß nichts, was Ihnen helfen könnte.« Ihr Blick wurde weicher, und sie schien sich nicht mehr bedroht zu fühlen. »Doch wenn ich sonst noch etwas für Sie tun kann …«
Blaine nickte. »Ich vollziehe alle Schritte Eastons bis zu seinem Tod nach. Ich würde gern das Zimmer sehen, in dem er ermordet wurde.«
6
»Chen wird Sie hinaufführen«, sagte Madame Rosa. »Doch Ihre Kollegen haben das Zimmer schon ein Dutzend Mal untersucht. Sie werden nichts finden, das sie nicht auch schon gefunden haben.«
»Das werde ich erst wissen, wenn ich es versucht habe, Madame Rosa.«
Madame Rosa begleitete Chen und Blaine zur Treppe und ließ sie allein hinaufgehen. Als er dem Asiaten folgte, gewann Blaine einen ganz anderen Eindruck von dem Mann oder gab dem ersten vielleicht auch nur nach. Er war Männern wie Chen im Lauf der Jahre oft begegnet, hauptsächlich in Vietnam. Schnelle, leise Killer, die sich mit der Luft bewegen und in den Wind verschwinden konnten. Sie waren gewandt und geschmeidig, imstande, wirksam mit bloßen Händen zu töten. McCracken hatte von mehreren großen und starken Männern gehört, die ihrer Fehleinschätzung von Killern wie Chen zum Opfer gefallen waren. Er würde darauf achten müssen, ihnen nicht zu folgen.
Blaine hielt einen gewissen Abstand, als Chen ihn zur dritten Etage führte und eine Tür öffnete, die sich nicht von den anderen unterschied.
Mit der Zimmereinrichtung war es etwas anderes.
Offensichtlich hatten Washington oder Langley oder beide bestimmt, daß es so belassen werden sollte, wie es war, und obwohl seit dem Mord einige Tage vergangen waren, drehte sich Blaine der Magen um. Überall war Blut, eingetrocknet und verklumpt, gegen die Wände und auf den Boden verspritzt, in die Bettlaken eingezogen. Der Geruch von Weihrauch hing schwer in der Luft, doch nichts konnte die sich haltenden Gerüche oder das Gefühl des Todes auslöschen. McCracken war sicher, selbst mit verbundenen Augen diesen Raum als denjenigen herausfinden zu können, in dem ein Mensch gewaltsam zu Tode gekommen war. Ihm war ein wenig übel, als er noch ein paar Schritte in den Raum machte. Chen blieb im Gang stehen und schob die Tür zu drei Vierteln zu.
Blaine konnte sich genau vorstellen, wie es geschehen war. Die Kinder, die sich über Easton rollten, junge Gesichter, mechanisch anmutend und unsicher, die Unschuld, die zu ihrer Furcht hinzukam und dadurch die Perversität des Anblicks erhöhte. Dann die aufbrechenden Türen, zwei Männer, die hindurchstürmten, heiße Kugeln aus ihren Pistolenläufen, die Blut und Knochen vom Körper sprengten und umherspritzen ließen. Die Gedanken der verwirrten, sterbenden Kinder ließen Blaine zittern, und plötzlich fühlte sich das Zimmer eiskalt an.
Er mußte hier raus. Natürlich hatte Madame Rosa damit recht gehabt, daß es hier für ihn nichts mehr zu finden gab. Doch er hatte alles selbst sehen und fühlen müssen. Nachdem dies geschehen war, trat er zur Tür.
Chen stand nicht mehr im Gang.
Das paßte nicht. Er würde den Befehl erhalten haben, in der Nähe dieses Eindringlings in die Privatwelt Madame Rosas zu bleiben. Wo war er also?
Blaine stellte die Frage zur Seite. Er wollte nur aus diesem Zimmer heraus. Hier gab es nichts, was ihm weiterhelfen würde. Er ging allein die Treppe hinab, nun mißtrauisch geworden, die Sinne scharf wie die eines Tieres
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