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Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Titel: Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Dickie
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»Prostituierte«:
bagascia, bambuglia, bardascia, drusiana, risgraziata, schiavuttella
(»kleine Sklavin«),
vaiassa
und
zoccola
(»Kanalratte«). Es gab eine ganze Nomenklatur für diverse Kategorien von Strichmädchen. Ein neues Mädchen wurde
colomba
(»Taube«) genannt; kam es aus der Provinz, war es eine
cafona
(»Bauerntrampel«). Eine
gallinella
(»junge Henne«) hatte bereits Kinder; eine
pollanca
(»junge Truthenne«) dagegen war die Jungfrau, die man auf den Markt zu bringen gedachte. Zudem gab es mehrere Begriffe für die ältere Frau, wie
carcassa
(»Leiche«) oder
calascione
(»zerbeulte alte Mandoline«). Es war der Jargon einer Ausbeutungsindustrie, auf ihr basierte die Wirtschaft der Camorra. Wir wissen wenig über das Familienleben neapolitanischer Camorristi im 19 . Jahrhundert. Doch ist es unwahrscheinlich, dass Männer, die so tief im Frauenhandel verstrickt waren, ähnliche Dynastien hervorbrachten wie die sizilianischen Dons.
    Wie ihre neapolitanischen Vettern, die der
Sangiovannara
in Anerkennung ihrer bedeutenden Rolle bei den Ereignissen um die Einigung Italiens eine ehrenvolle Sonderstellung zugebilligt hatten, umgaben sich auch die
picciotti
aus Kalabrien zuweilen mit starken Frauen. Einige dieser Frauen nahmen direkt an kriminellen Handlungen teil. Unter den Angeklagten, die in den Prozessakten aufgelistet sind, springt daher auch der eine oder andere weibliche Name ins Auge. 1892 wurden in Palmi zwei Frauen für schuldig befunden: Concetta Muzzopapa, 40 , und Rosaria Testa, 26  Jahre. Beide stammten aus Rosarno, gegenüber von Palmi auf der anderen Seite der Ebene von Gioia Tauro gelegen. Beide hatten den Treueeid geleistet und waren in die kalabrische Mafia aufgenommen worden. Sie seien »in den kleinen Finger der rechten Hand gestochen worden, bis Blut austrat«, und hätten zu schweigen gelobt, erklärten die Richter. Beide trugen außerdem Männerkleidung, in der sie sich an Raubzügen und gewalttätigen Übergriffen beteiligten. Rosaria Testa hatte den Ermittlern ihre Rolle in der Organisation gestanden und viele Geheimnisse verraten, ehe sie, eingeschüchtert durch ihre männlichen Komplizen, ihre Aussage zurückzog.
    Es gab noch andere weibliche Bandenmitglieder, zum Beispiel in Santo Stefano, der Heimatgemeinde des »Königs des Aspromonte«: Nachforschungen über die
Picciotteria
zur Zeit des Briganten Musolino ergaben, dass von 166 vereidigten Mitgliedern immerhin zwölf weiblichen Geschlechts waren, darunter Musolinos Geliebte, Angela Surace, sowie seine drei Schwestern, Ippolita, Vincenza und Anna (bezeichnenderweise die Töchter des Bosses). »Da sie sich der moralischen und materiellen Unterstützung durch die kriminelle Vereinigung gewiss sein können«, schrieb die Polizei, »sind Frauen aus den Familien der Mitglieder auch in der Lage, Drohungen auszusprechen und ihren Willen durchzusetzen.« Besonders gefürchtet war Ippolita, die älteste der Musolino-Schwestern. Vermutlich hatte sie ihren Bruder sogar beraten, welche Personen er sich vorknöpfen sollte. Solche Fälle faszinieren, und hätten wir mehr Dokumente, auf die wir unsere Forschung stützen könnten, wüssten wir weitaus mehr über die frühe ’Ndrangheta. In der Geschichte der übrigen kriminellen Vereinigungen gibt es keine einzige Frau, die sich mit den kalabrischen
mafiose
vergleichen ließe.
    Einige kalabrische Ganoven, die in den 1920 er und 1930 er Jahren vor Gericht gestellt wurden, legten noch immer denselben Appetit auf Frauen an den Tag wie die
picciotti
der 1880 er und 1890 er Jahre. So auch Domenico Noto, der fliegende Boss aus Antonimina: Seine Bande betrieb Zuhälterei, zwang ihre Huren, sich an Raubüberfällen zu beteiligen, und veranstaltete regelmäßig Versammlungen und Feste im Haus einer Prostituierten. Doch Noto gab sich nicht zufrieden mit seinen »Bordsteinschwalben« (die prüde Ausdrucksweise des Richters). Er erzwang sich den Weg in andere Betten, verging sich unter anderem an der Frau eines Emigranten, an deren 14 -jähriger Tochter und an einem wehrlosen taubstummen Mädchen. Doch wer auf diese Weise sein Leben bestritt, tat sich schwer, die Geheimnisse der kriminellen Sekte zu wahren. So brachte die Frau des Emigranten vor Gericht wichtige Beweise gegen Domenico Noto und gegen mehr als 40 seiner Kameraden vor. Andere kalabrische Mafiazellen wurden auf die Aussagen von Strichmädchen hin aufgelöst. Kalabrische Richter waren gerne bereit, die Beweise der Prostituierten gegen

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