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Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Titel: Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Dickie
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sogar für die sentimentalen Schlagermelodien, die ihre neapolitanischen Gastgeber so liebten.
    Die Verbindungen zwischen Mafia und Camorra erhielten bald eine offizielle Form. Auf ihre traditionelle Art und Weise knüpften sizilianische Mafiosi Verwandtschaftsbande mit den Camorristi, die auf der Ehe und dem
comparatico
gründeten (wörtlich »Mit-Vaterschaft«, d.h., man übernahm die Patenschaft für ein Kind). Große neapolitanische Schmuggler wurden offiziell auch in die Cosa Nostra eingeführt. In Kampanien entstanden mindestens zwei Cosa-Nostra-Familien und wurden von Palermo bestätigt. Die eine hatte ihren Sitz in der Hauptstadt und gruppierte sich um eine große Familie, die Zaza-Mazzarellas, zu der auch »der Irre« Zaza gehörte. Die andere war in Marano zu Hause, einer Kleinstadt im nördlichen Umland von Neapel. Aus Marano stammte der Mann, der 1955 den »Kartoffelpreispräsidenten« erschossen hatte. Die Verwandten des Mörders, die Nuvoletta-Brüder, hatten jetzt in der Stadt das Sagen und wurden ordnungsgemäß in die Cosa Nostra eingeführt.
    So erbten die neuen kampanischen Familien der Cosa Nostra die beiden wichtigsten kriminellen Traditionen der Region. Der »Irre« Zaza vertrat die städtische Camorra, neu belebt durch den Schwarzhandel während des Zweiten Weltkriegs. Die Nuvoletta-Brüder waren die Sorte Camorristi, die lange Zeit die Versorgungswege von den Dörfern zu den Märkten in der Stadt unter ihrer Kontrolle hatten. So waren die neuen Zweige der Cosa Nostra in Kampanien gewissermaßen auch eine sehr vielsagende Rückkehr zur Vergangenheit. Zum ersten Mal seit den Tagen der alten Ehrenwerten Gesellschaft Neapels umspannte dasselbe organisatorische Gefüge sowohl die Camorra-Clans der Stadt als auch jene auf dem Land.
    Die Aufwertung des Zigarettenschmuggels sowie die engen Verbindungen zwischen der sizilianischen und der neapolitanischen Unterwelt führten zu einer »Mafia-isierung« der Camorra. Nicht zum ersten Mal in der Geschichte erfuhr das Wort »Camorra« einen Bedeutungswandel. Früher wurde es, wenn überhaupt, auf kleine lokale Gangsterbanden oder Schmugglerringe angewandt, oder auch auf einzelne
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. Jetzt waren Camorristi in zunehmendem Maße Funktionäre weitaus größerer Gruppen, mit einer größeren Bandbreite an kriminellen Aktivitäten und einem größeren finanziellen Spielraum.
    Für die Neapolitaner hatten die zugezogenen Mafiosi eine Menge zu bieten, unter anderem organisatorische Fähigkeiten und Prestige. Denn wer kannte die sizilianische Mafia nicht? Und welcher Kriminelle hatte keine Angst vor ihr?
    Für die Sizilianer brachten Neapolitaner vom Schlag des »Irren« ausgezeichnete Schmuggelkontakte und ein umfassendes Vertriebsnetz. Sie in die Cosa Nostra einzuführen, war eine Möglichkeit, sie im Auge zu behalten. Aus denselben Gründen nahmen sie auch Tommaso Spadaro, einen bedeutenden Palermer Zigarettenschmuggler, in ihren Kreisen auf.
    Die Entscheidung der sizilianischen Mafia, einige Camorristi bei sich aufzunehmen, hatte auch strategische Gründe. Die wichtigsten Akteure im neapolitanischen Schmuggelgeschäft Ende der sechziger Jahre waren multinationale Händler – »die Marseiller« genannt, da einer ihrer früheren Stützpunkte sich in der französischen Hafenstadt Marseille befunden hatte. Zwischen 1971 und 1973 nutzten die Männer der kampanischen Cosa Nostra ihre Feuerkraft, um die Konkurrenz auszuschalten. Eine Handvoll neapolitanischer Zigarettenschmuggler und mindestens sechs Marseiller wurden hingerichtet. Nach den Maßstäben der Mafia war dies ein relativ geringer Gewaltaufwand, der sich auszahlen sollte. Bald hatten die Cosa Nostra und ihre kampanischen Freunde den Tabakschmuggelmarkt für sich allein.
    Das Geschäft florierte. Einer Schätzung zufolge belief sich in den späten siebziger Jahren der Jahresumsatz des illegalen Zigarettenhandels in Kampanien auf etwa 48 , 6  Milliarden Lire (nach heutigen Maßstäben etwa 175  Millionen Euro), mit einem Reingewinn zwischen 20 und 24  Milliarden Lire ( 72 bis 86  Millionen Euro). 1977 fanden die Carabinieri »den Irren« Zaza mitsamt einem Rechnungsbuch, dem zufolge der Tabakschmuggel von Mafia und Camorra erstaunliche 150  Milliarden Lire im Jahr einbrachte (über 500  Millionen Euro). Es wird vermutet, dass in der Region Kampanien zwischen 40 000 und 60 000  Menschen in der Schmuggelwirtschaft beschäftigt waren. Die Fiat-Werke Süditaliens, in der Tat.
    Die Cosa Nostra erhielt

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