Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)
den Jahren der Plünderung der Stadt nicht müde wurde, auf die Mauscheleien in der Regierungspartei
Democrazia Cristiana
hinzuweisen. Als streitbarer Gewerkschafter kämpfte er auch gegen den Einfluss der Mafia am Hafen von Palermo, wo Großuntermehmen sich der Bosse bedienten, um Gelegenheitsarbeiter anzuheuern. 1962 wurde er zum regionalen Anführer der Kommunistischen Partei Siziliens gewählt, und im Jahr darauf erhielt er einen Sitz in der sizilianischen Regionalversammlung. Ende der sechziger Jahre übernahm er eine nationale Rolle innerhalb seiner Partei. 1972 wurde er Parlamentsmitglied und engagierte sich in den letzten Jahren der parlamentarischen Untersuchung gegen die sizilianische Mafia.
In seiner Funktion als Kommandant der Carabinieri in Palermo zwischen 1966 und 1973 sagte Carlo Alberto Dalla Chiesa vor dem Ausschuss als Zeuge aus. Er lieferte ihm einige hochexplosive Beweismittel gegen Politiker mit Mafiaverbindungen und erstellte unter anderem Berichte über den »Betonkönig« Ciccio Vassallo.
1974 wurde Dalla Chiesa zum General befördert und zu einem Kommando im Nordwesten Italiens berufen, wo er zur Bekämpfung der Roten Brigaden eine Anti-Terror-Sondereinheit ins Leben rief. Nach der Entführung und Ermordung des ehemaligen Premierministers Aldo Moro im Jahre 1978 galt Dalla Chiesa landesweit als Vorreiter im Kampf gegen den Linksterrorismus. Dalla Chiesa war es auch, der Patrizio Peci überreden konnte, sich als erster
brigatista
als Kronzeuge zur Verfügung zu stellen. Der General war die Nummer zwei auf der Todesliste der Roten Brigaden in der Autostadt Turin – eine Liste, bei deren Erstellung Peci mitgewirkt hatte. (Nummer eins war der Patriarch der Fiat-Werke Gianni Agnelli.) Er wusste, dass Peci schon mehrmals versucht hatte, ihn umzubringen, und behandelte seinen Gefangenen dennoch menschlich und mit professioneller Distanz. Dalla Chiesa garantierte persönlich für die Sicherheit des Kronzeugen im Gefängnis und besuchte ihn, nachdem die Roten Brigaden seinen Bruder zu Tode gefoltert hatten. Wie Peci sich später erinnerte: »Seine Umgangsformen waren streng, aber milde, autoritär, aber freundlich. Er behandelte einen nie plump vertraulich, aber auch nicht wie Dreck (…) Ich bewunderte ihn immer mehr: seinen Charakter, seine Zuversicht, seine Vorstellungskraft und Autorität.«
Pecis Informationen führten dazu, dass die Struktur der Roten Brigaden zum großen Teil aufflog, und machten Dalla Chiesa, mit seinem graumelierten Bart über dem festen Kiefer, zu einem berühmten Gesicht und zum Nationalhelden. Gegen Ende des Jahres 1981 wurde er zum stellvertretenden Kommandanten der Carabinieri auf nationaler Ebene ernannt. Im April des darauffolgenden Jahres dann wurde General Carlo Alberto Dalla Chiesa, den Applaus einer gesamten Nation noch in den Ohren, nach Sizilien berufen, um die Mafia mit denselben Mitteln zu schlagen wie die Roten Brigaden.
In Palermo kam es zu einem Blutbad: Riinas grausamer Mafiaputsch war in vollem Gange; und die prominenten Leichen türmten sich. Einer der stimmgewaltigsten Befürworter von Dalla Chiesas Ernennung zum Präfekten von Palermo war Pio La Torre, der sich seit kurzem ebenfalls wieder in seiner Heimatstadt befand. Die Mafiakrise und der Beschluss, den USA die Stationierung neuer Marschflugkörper auf einem Luftstützpunkt im Südosten Siziliens zu gestatten, hatten ihn zur Rückkehr bewogen.
La Torre suchte leidenschaftlich nach Mitstreitern für eine neue Antimafia-Gesetzgebung, die er im vergangenen Jahr vorgeschlagen hatte. Die geplante Regelung basierte auf dem amerikanischen
Racketeer Influenced and Corrupt Organizations
( RICO )
Act
, einem Bundesgesetz, das der Mafia in den Vereinigten Staaten großen Schaden zugefügt hatte, seit es 1970 verabschiedet worden war. Es waren vor allem zwei Instrumente der Strafverfolgung, für die La Torre sich starkmachte: zum einen schwere Strafen für jeden, der sich als Mitglied einer Organisation erwies, die mittels Einschüchterung und Omertà die Kontrolle über Unternehmen und öffentliche Ressourcen zu gewinnen suchte; zum anderen die Macht, das illegal erworbene Vermögen der Mafia zu beschlagnahmen. Die politische Ironie in La Torres Vorschlag war klar: Wieder einmal waren es die Kommunisten, die sich eifrig bemühten, aus Onkel Sams Erfahrung im Kampf gegen das organisierte Verbrechen zu lernen.
Kurz bevor er seine Stellung als Präfekt von Palermo antrat, schilderte Carlo Alberto Dalla
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