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Omka: Roman (German Edition)

Omka: Roman (German Edition)

Titel: Omka: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Aschenwald
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hatte ein halbes Jahr Bildungskarenz genommen. Und …«, sie stockte.
    »Was denn?«, fragte er.
    »Ich bin heute genau 36 , geschieden und habe keine Kinder«, sagte sie leise. »Heute genau?«, hakte er nach.
    »Ja«, sagte Omka »ich habe heute Geburtstag.«
    Es war der neunzehnte September.
    Er sah in seinen Teller.
    »Jetzt habe ich gar nichts für dich«, sagte er. »Ich wusste ja nicht, dass …«
    »Ich auch nicht«, sagte sie, und sie lachten.
    Er sah ihr zu, wie sie ihm noch eine Kelle Suppe nachschöpfte, sah ihren Hals von der Seite und ihren ruhigen, konzentrierten Blick, der auf die sehr volle Kelle gerichtet war, ihre andere Hand, die sie, ohne hinzusehen, nach seinem Teller ausstreckte und dann langsam die dampfende Suppe in den Teller goss.
    »Die ist wirklich sehr gut«, sagte er. »Was ist da drin?«
    »Ach, nichts Besonderes«, sagte sie, »frischer Fisch, Zitrone, Knoblauch, Weißwein, Suppengemüse, frische Kräuter, Olivenöl und ein bisschen Chili. Aber es ist sehr wichtig, dass man Fischabfall hat für die Brühe. Köpfe, Gräten, Flossen, alles Mögliche. Sonst wird sie nicht gut.«
    Ihm wurde ein bisschen unbehaglich zumute. Die Frage war eigentlich absichtslos gewesen, man fragt es eben.
    »Und … das braucht man unbedingt, ich meine, muss das alles … da rein?«
    »Ja«, sagte sie, »in die erste Brühe. Die macht man aus dem Fischabfall und dem Suppengemüse, daraus wird der Fond. Und darin kocht man dann die ganzen schönen Zutaten, die Fischfilets, das geputzte Wurzelgemüse, den Zitronensaft, das Olivenöl und so. Dann hat man am Ende die Bouillabaisse. Aber für den Fond braucht man den Fischabfall.«
    Als sie sich ein Stück vom Knoblauchbaguette abbrach, drehte er sich um und sah eine Plastiktüte an der Türklinke der Küche hängen, wo Omka die Gemüseschalen und die ausgekochten Suppenzutaten hineingetan hatte, und ein Fischkopf sah ihn durch das milchige Plastik an. Das eine Auge, das er sehen konnte, war trüb. Es begann, ihn zu ekeln.
    »Ich kann nicht mehr«, sagte er, »danke, vielen Dank. Aber ich habe wirklich genug. Und das Knoblauchbrot ist auch so sättigend.«
    Ohne es zu wollen, sah er nochmals zu der Plastiktüte mit dem Fischkopf, und Omka folgte seinem Blick. Sie kniff die Augen zusammen und schaute ihn prüfend an. Dann stand sie auf und ging in Richtung Küche, langte in den Plastikbeutel und holte den Fischkopf heraus. Sie warf ihn auf ihren Teller.
    »Was?«, fragte er.
    »Nichts«, sagte sie. »Das ist doch nur ein Fischkopf«, sagte sie und tippte mit dem Zeigefinger von hoch oben drauf, ihre Stimme bekam etwas Scherzhaftes, »davor braucht es einen weder zu ekeln, noch braucht man Angst davor haben. Er war in der Suppe, und jetzt ist er im Müll, aber man könnte ihn essen und würde es auch überleben. In Japan hätte man damit gar kein Problem. Da findet man es eher komisch, den Kopf übrigzulassen.«
    »Ich war noch nie in Japan«, sagte er unbeholfen und lachte und räusperte sich gleich darauf.
    Da steckte sich Omka den Fischkopf in den Mund, zerkaute ihn laut krachend und schluckte ihn hinunter. Seine Nackenhaare sträubten sich, und die Gabel fiel ihm aus der Hand.
    Sie lachte.

Kapitel III Das Kind
    Es wurde langsam Herbst. Die Luft wurde kühler, der Blick klarer, am Abend sahen die Umrisse der Häuser aus wie schwarze Scherenschnitte. Die Blumen im Garten bogen langsam ihre Köpfe zur Erde, nachts gab es den ersten Frost. Durch die Luft flogen lange Spinnweben. Omka wurde von Tag zu Tag missmutiger. Sie war wortkarg und schlecht gelaunt. Er brachte ihr Blumen mit, die in ein hellblaues Papier eingewickelt waren, und sie freute sich. Er überlegte, ob es am Herbst liegen könnte oder daran, dass es früher dunkel war, oder ob sie eigentlich gar nicht schlecht gelaunt war und es ihm nur so vorkam, dass sie schlechte Laune hatte. Aber er sagte nichts, bis sie ihn bat, mit ihr spazieren zu gehen.
    »Ich muss dir etwas sagen«, sagte sie, »einiges.«
    Sie waren zu dem See gefahren, wo man Omka gefunden hatte. Die Bäume wirkten dunkler als sonst, und an ihren Nadeln hingen Tropfen, weil es vor kurzem geregnet hatte. Über dem Wasser lag ein feiner Dunst. Sie gingen den See entlang.
    »Ich wollte hierher«, sagte Omka, »weil wir uns eigentlich hier zum ersten Mal begegnet sind. Wenn ich den Unfall nicht gehabt hätte und mein Gedächtnis nicht verloren hätte, würden wir uns nicht kennen. Wenn du nicht versucht hättest, an der frischen Luft

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