Omka: Roman (German Edition)
wollte. Dass sie im letztmöglichen Moment gekommen war und man ihn extra noch fast auf dem Nachhauseweg aufgehalten hatte, führten dazu, dass er schon sicher war, dass es sich um eine besonders dringende und schwerwiegende Angelegenheit handeln musste, und bestärkten seine Vermutung.
Seine Hände begannen zu zittern.
Der Schwangerschaftsabbruch gehörte zu den wenigen Dingen, die der Priester wirklich für eine schreckliche Sünde hielt, und die Absolution fiel ihm in solchen Fällen besonders schwer. Neid, Geiz oder Wollust schienen ihm dagegen fast schon lässlich, auch wenn sie zu den Todsünden zählten.
»Und der Vater dieser Kinder ist traurig darüber und behandelt mich wie … es ist ein Fall aus mir geworden, und ich ärgere mich über ihn, obwohl er sich wirklich Mühe gibt und mir bei allem hilft. Ich habe ein schlechtes Gewissen, weil es mich ja eigentlich nicht ärgern dürfte, und ich glaube, ich tue ihm Unrecht, aber ich kann nicht anders, es ist ein Gefühl, und ich mache es nicht mit Absicht.« »Nun, das macht eine gute christliche Ehe aus, dass man sich gegenseitig auch in schlechten Zeiten unterstützt«, sagte der Priester, weil er etwas Gutes sagen wollte. Im Beichtstuhl war es dunkel.
»Wir sind nicht verheiratet«, sagte Omka.
Der Priester verdrehte die Augen etwas. Nicht verheiratet, offenbar nicht christlich, zum ersten Mal bei der Beichte. Das hätte er sich gleich denken können. In der letzten Zeit kamen viele Leute zu ihm, verwirrte junge und sehr überzeugte ältere, aber immer mehr suchten Zuspruch, verlangten nach einem Sakrament oder wollten jemanden haben, mit dem sie sprechen konnten, ohne geringste Kenntnis der Schrift, ohne Bekenntnis und ohne Interesse an der Religion, aber sie kamen doch. Nur, was sollte er machen? Was sollte er als katholischer Priester jemandem raten oder sagen, der weder christlich war noch irgendwie vertraut mit Ritual und Gebet? Höchstens Allerweltsantworten konnte er dann geben, und dazu brauchte es doch nicht unbedingt einen Priester. Bei der Frau, die ihm gegenüber im Beichtstuhl saß und nervös ihre Hände an die Handtasche presste, konnte es sich eigentlich um nichts anderes als um so etwas handeln. Der Priester atmete ein und langsam wieder aus. Musste er nicht froh über jeden sein, der noch den Weg in ein Gotteshaus fand? Aber wie schon gesagt, hier fiel es ihm schwer, einen nüchternen, vernünftigen Standpunkt zu behalten und ein verwirrtes Kind Gottes in ihr zu sehen und nicht etwas Ähnliches wie eine gemeine Mörderin. Die Bedingung der Lossprechung fiel dem Priester wieder ein, und er fragte schnell, aber in würdigem Tonfall: »Bereust du, was vorgefallen ist?«
Omka antwortete genauso schnell: »Natürlich bereue ich es, Sie glauben gar nicht, wie leid es mir tut, es ist einfach furchtbar!«
»Nun …«, sagte der Priester mit einem Tonfall, der sein Missfallen verriet, »war das alles, was du vor Gott bringen wolltest?«
»Ich …«, sagte Omka, »verraten Sie das auch niemandem?«
Der Priester ärgerte sich und sagte mürrisch: »Das darf ich nicht, selbst wenn ich es wollte!«
Omka war erleichtert, das konnte er an ihrem Atem hören.
»Nun«, frage der Priester, als Omka noch immer schwieg.
»Manchmal frage ich mich, ob ich meinen Mann eigentlich überhaupt …«
Jetzt reichte es dem Priester. Das hier war schließlich kein Kaffeeklatsch, und Fragen um Liebe, noch dazu außerehelicher Art, gehörten nicht in den Beichtstuhl. Er unterbrach ihren Satz mit den Worten: »Gott, der allmächtige Vater, hat durch den Tod und die Auferstehung seines Sohnes die Welt mit sich versöhnt und uns den Heiligen Geist gesandt zur Vergebung der Sünden. Durch den Dienst der Kirche schenke er dir Verzeihung und Frieden. So spreche ich dich los von all deinen Sünden: Im Namen das Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes«, sagte der Priester, und zu seiner Verblüffung sagte sie: »Amen.«
Er sah sie erstaunt an, und sie sagte dann: »Das sagt man doch immer so, oder?« Der Priester überlegte, ob es in diesem Fall überhaupt Sinn hätte, Bußgebete aufzugeben, die sie wahrscheinlich nur aus dem Gebetbuch würde ablesen können. Er sah sie an und begann, sich über sich selbst zu ärgern. Da setzte sich diese kleine Frau zu ihm in den Beichtstuhl, konnte nicht einmal das Vaterunser sprechen und wusste wahrscheinlich auch nicht einmal, dass sie in einer katholischen Kirche war, nur hatte ihr einmal jemand erzählt, dass man
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