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Omka: Roman (German Edition)

Omka: Roman (German Edition)

Titel: Omka: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Aschenwald
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überhaupt vor ihm geekelt zu haben, immerhin habe ich es doch zur Welt gebracht. Da stehen plötzlich alle um mich, die Schwestern, der Arzt und die Hebamme, und sehen mich schockiert an, und eine sagt wie aus dem Nichts heraus: ›Mörderin. Kindsmörderin!‹ Eine nach der anderen fängt an, mitzuschreien: ›Kindsmörderin! Kindsmörderin!‹ Ich schäme mich furchtbar und werde dann wütend. Hätte ich mich umbringen lassen sollen? Es wollte mir nämlich wirklich ans Leben, ich weiß es. Alle schreien durcheinander. Ich sehe noch mal zum Fenster hinaus auf den Boden unten, und da ist nur eine rote Pfütze, aber das Kind ist weg.«
    Sie stockt und sagt dann: »Und dann bin ich aufgewacht.«
    Er war entsetzt. »Das ist ja schrecklich. Warum erzählst du mir das?«, fragte er. »Ich meine, du hast heute beim Frühstück zu mir gesagt, du möchtest ein Kind … und fragst mich nicht einmal, ob ich das auch möchte, und träumst dann solche Sachen.«
    »Ich kann mir meine Träume doch nicht aussuchen«, sagte sie, »und du hast dich doch auch gefreut, als ich schwanger war, deshalb dachte ich mir, wir würden gleich darüber denken. Willst du es denn nicht?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte er, »seit du es gesagt hast und wir beide in voller Absicht eines zeugen sollen, da denke ich … vorher war es einfach so, wie es war, und das war auch irgendwie richtig so, und alles war in Ordnung. Und jetzt mache ich mir Gedanken über uns und unser Leben.«
    Es war spät, dunkel und kühl.
    »Weißt du was?«, fragte sie und legte ihre Beine auf den Fußteil des Bettes, »ich habe nicht nur keine Seele, sondern auch keine Füße.«
    Er war verwirrt. »Was?«, fragte er.
    Da warf sie sich auf ihn und küsste ihn stürmisch und fasste unter sein Nachthemd, streichelte die Narbe auf seiner Brust und biss ihn schließlich in den Hals. Mit ihren Händen strich sie die Seiten seiner Brust hoch, sodass er erschauderte, und sagte ihm leise und deutlich ins Ohr: »Josef.«
    Dann sagte sie nichts mehr, obwohl er darauf wartete. Als er sie anfassen wollte, sagte sie forsch: »Hände weg!«, was ihn irritierte, und er wollte sich wegdrehen, als sie ihn anfuhr. »Halt still!«
    Ihr Blick wurde leer, und er hatte einen Moment den Eindruck, als würde sich ihre Haut kühl anfühlen, als er einen Luftzug spürte.
     
    In der Nacht gab es Frost und Schnee. Als er am Morgen aufstand, dachte er an die letzte Nacht. Er hatte Omka noch nie so erlebt. Er hatte ihren kalten, teilnahmslosen Blick bemerkt und wünschte sich, dass er ihn nicht bemerkt hätte.
     
    Omka lag im Bett und drehte sich noch einmal um. Sie war verwundert über sich selbst, fühlte sich eingesperrt und wusste nicht, warum.
    »Was ist denn überhaupt Liebe?«, fragte sie sich, und gleichzeitig fiel ihr ein, dass sie Josef schon oft gesagt hatte, dass sie ihn lieben würde. Offenbar wusste die ganze Welt, was Liebe war, sie war in den Zeitungen, im Fernsehen, und man sprach darüber wie über Brot. Es war etwas Gewöhnliches. Sie schlug die Decke zurück. Draußen lag weißer, dünner Schnee wie Staub auf der grünen Wiese. »Der hält nicht lang«, dachte sie bei sich. Und als hätte man sie gerade in ihre Situation geworfen, sah sie sich plötzlich in diesem Haus mit diesem Mann, den sie noch nicht lange kannte, mit dem sie aber zusammenlebte und der zweifelsohne ein guter Mann war, aber plötzlich war ihr alles so fremd wie nie zuvor. Sie deckte sich wieder zu. »Irgendetwas fehlt mir«, dachte sie sich.
    »Irgendetwas stimmt nicht mit mir.« Ein dumpfes Gefühl beschlich sie und der rettende Gedanke, dass sie Frühstück machen musste und keine Zeit für solchen Blödsinn habe. Dann redete sie sich selber in Gedanken gut zu und versuchte, vernünftig zu sein. Sie rief sich ihre Situation ins Gedächtnis, dachte daran, wie Josef ihr geholfen hatte, hinter ihr gestanden hatte, sie damals einfach aus dem Krankenhaus geholt hatte, obwohl er sie fast nicht gekannt hatte, einfach aus dem Gefühl heraus, dass sie Hilfe brauchte, und dass das ein nobler Zug an ihm war. Irgendwo in einem Winkel ihres Kopfes kam der unschöne Gedanke auf, dass doch kein Mann völlig uneigennützig eine mittellose Frau von der Straße auflas, und plötzlich fand sie ihn berechnend und normal und seine Handlungsweise unappetitlich. Und als hätte sie alles durchschaut, sah sie plötzlich sich selbst, wie sie im Haus wirtschaftete, alles sauber hielt und Frühstück machte und begann, sich dafür zu

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