Omka: Roman (German Edition)
alle Schuld, die man hatte, in den Beichtstuhl tragen könnte und weiß und rein wie der frische Morgen wieder herauskommen würde und dazu nicht einmal irgendeine Religion zu haben brauche. Buße war ihr offenbar auch fremd, man war weder imstande, sie zu tadeln, weil man ja nicht richten dürfe, noch könne man ihr die Vergebung versagen, denn dazu hatte man das Recht nicht, wenn sie ihre Schuld bekannte und bereute. Er öffnete die Beichtstuhltür und trat heraus, dann öffnete er die Nebentür.
Omka fragte noch im Sitzen: »Und was passiert jetzt?«
Verwirrt sagte der Priester: »Ich habe Sie von Ihren Sünden losgesprochen, das ist das Ende der Beichte.«
»Aber«, sagte Omka, »Sie haben mir ja gar nicht geholfen, ich meine, Sie haben mir ja nicht gesagt, was ich jetzt tun soll. Ich bin gekommen, weil ich mich wegen meines Gefühls schäme, das ich meinem Mann gegenüber habe und es aber nicht absichtlich habe, ich kann nichts dafür.«
Ihm fiel auf, dass sie zwar gesagt hatte, sie sei nicht verheiratet, aber trotzdem von ihrem Mann sprach und nicht »Partner« oder etwas in der Art sagte, aber angesichts der Tatsache, dass es bei einer wie ihr überhaupt nichts ändern würde, wenn er sie jetzt darauf ansprach, dass es einen Unterschied mache, ob man verheiratet sei oder nicht, schwieg der Priester. Er hielt sie für eine schlechte Frau, ohne es zu wollen. Seine Finger schlossen sich um das Kruzifix, er bemerkte, dass seine Stola verrutscht war und auf einer Seite auf den Boden hing.
»Herr, steh mir bei«, dachte er sich, »sie ist nur ein verwirrtes Kind Gottes.« Langsam stand Omka auf und stieg aus dem Beichtstuhl. Der Priester atmete tief ein und wieder aus und sagte dann: »Ich kann Ihnen nur sagen, dass das die geringere Sünde ist, die Sie mir heute gebeichtet haben. Die andere sollte sie mehr beschäftigen, denn was man unwillentlich tut, ist dem Menschen nicht so schwer anzulasten wie das, was er willentlich tut.«
Omka verstand ihn nicht und hatte den Eindruck, das hänge damit zusammen, dass sie keine religiöse Bildung erhalten hatte. Aber obwohl sie im Beichtstuhl gewesen war und obwohl sie der Priester von ihren Sünden losgesprochen hatte, fühlte sie sich nicht anders und auch nicht erlöst und dachte, das sei ihre Schuld, weil sie etwas falsch gemacht hatte.
Der Priester mit den gütigen Augen und der gebogenen Nase war gegangen, nachdem er nochmals das Kreuzzeichen über sie geschlagen hatte, und Omka stand noch neben dem Beichtstuhl. Sie bemerkte links von sich die Figur einer Frau mit schönem, gütigem, aber irgendwie leerem und ausdruckslosem Gesicht, die ein Kind auf dem Arm hielt. In der anderen Hand hielt sie eine große, weiße Lilie. Sie stand auf einer Mondsichel und trug ein weißblaues Gewand, ihr Kopf war von einem weißen Schleier halb verhüllt, worunter dunkle Locken hervorquollen und über das Gewand lang nach unten liefen. Das Kind war nackt, trug eine Krone auf dem Kopf und hielt einen goldenen Ball mit einem nach oben gerichteten kleinen Kreuz in der linken Hand, die Rechte hatte es zum Himmel erhoben und drei Finger ausgestreckt, die anderen zwei waren in der kleinen Faust verborgen.
Unter der Figur standen in goldumrahmten Lettern auf weißem Grund die Worte: »Salve Regina«. Vielleicht lag es an dem Regen und der beginnenden Dunkelheit, vielleicht an der Beichte vorher, die Omka völlig durcheinandergebracht hatte, oder auch daran, dass die Amnesie noch nicht vollständig verschwunden war, aber Omka erkannte die Gottesmutter nicht.
Was sie aber verwirrte, war der Schriftzug. »Salve Regina«, las Omka leise. Regina war der Name ihrer Mutter, und sie fragte sich, was sie mit dieser Frau im weißblauen Gewand mit dem Kind auf dem Arm zu tun habe.
Vor der Figur brannten Kerzen. In der Bank, die vor der Figur mit den Kerzen stand, saß eine alte Frau, die Hände gefaltet, den Kopf gesenkt. Zwischen ihren Fingern hing eine Kette mit Perlen und einem Kreuz daran, die ein bisschen wie eine Halskette aussah. Omka wunderte sich. Sie trat einen Schritt auf die Figur zu und setzte sich auch in die Bank, aber am anderen Ende. Sie sah zu der Frau, die die Augen geschlossen hatte, ihre Lippen bewegten sich, und sie zog die Perlenschnur durch ihre Finger, sodass immer wieder eine kleine Perle auf der anderen Seite ihrer Hand herabfiel. Als sie die Augen öffnete, bekreuzigte sie sich und steckte die Perlenschnur in ihre kleine Handtasche. Dann bemerkte sie Omka,
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