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Omka: Roman (German Edition)

Omka: Roman (German Edition)

Titel: Omka: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Aschenwald
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zusammen. Verärgert schob er den Gedanken beiseite.
    »Das ist doch normal«, dachte er sich. Im Hintergrund spielte leise sein Lieblingsstück von Mussorgski, es war ein trüber Nachmittag, bestens geeignet zum Arbeiten, draußen war es ohnehin ungemütlich, und Josef hing trotz seines neuen Auftrags für die Planung eines öffentlichen Freischwimmbades seinen Gedanken um Omka nach. Josef liebte sie für das, was er an ihr überhaupt nicht mochte, auch. Seine Bildung, seine Vernunft und Einsicht in die Ordnung der Dinge führten dazu, dass er wusste, dass kein Mensch nur gut oder böse war, sondern eben gleichsam beides, dass er so viele Facetten besaß wie ein geschliffener Kristall. Wäre Omka in allem gut und anständig gewesen und wäre jede ihrer Handlungen vernünftig, hätte Josef wahrscheinlich auch bald das Interesse an ihr verloren.
    Am Tage sprach sie mit hoher Stimme, ihre großen Augen huschten unruhig umher, und sie erschien ihm wie ein Mädchen, wie ein schönes, großes Kind, das sich an ihn drückte, mit ihren kleinen Händen sein Gesicht streichelte und nicht mehr zu reden aufhörte, wenn sie unsicher war. Sie klebte an ihm, und er genoss das Gefühl, gebraucht zu werden, und war gerne in ihrer Nähe.
    In der Nacht war sie herrisch und ging mit ihm um, als wäre er ihr unterlegen, und das führte dazu, dass er den Eindruck bekam, zumindest etwas an ihr sei nicht nur eine Charaktereigenschaft, sondern eine Naturgewalt. Er dachte an ihre kleinen, weißen Hände, die ihn festhielten, ihren Blick, wenn sie ihm direkt in die Augen sah, und an den Tonfall, wenn sie ihm langgezogen ins Ohr sagte: »Josef.«
    Es klang, als würde sie ihm drohen. Er schluckte und sah sich langsam um, ob ihn jemand beobachtete, weil er Angst hatte, man könne ihm ansehen, woran er dachte. Wenn sie ihn verführte, waren ihre Berührungen grob, und er fühlte sich nicht geliebt oder verstanden, sondern erkannt, und aus Gründen, die er nicht nachvollziehen konnte, gefiel ihm dieses Gefühl. Ohne es zu wollen, sagte er plötzlich in ihrem Tonfall »Josef« und erschrak. Es begann zu regnen, und das Telefon im Vorzimmer klingelte.
     
    Omka war mit dem Fahrrad in die Stadt gefahren. Es war Vormittag, Velinka war bei Jonas und hatte zu ihr gesagt, es sei nicht gut, wenn sie den ganzen Tag zu Hause sei und sie solle doch etwas Vernünftiges mit ihrer freien Zeit anfangen. Da hatte sie beschlossen, sich etwas Gutes zu tun. Die warme Sommerluft war um sie, ihre langen Haare flogen im Wind, und sie fuhr den schmalen Radweg entlang, wo es keine Autos gab, nur ein paar Familien gingen spazieren, und hie und da klingelte sie, damit die Kinderwagen ihr auswichen. Vor der Bank blieb sie stehen, lehnte das Fahrrad an die Wand, nahm ihre Brieftasche heraus und ging zu einem Schalter. Auf einem Plakat sah sie einen jungen, gutaussehenden Mann mit einem Anzug aus weißem Plastik, und als sie genauer hinsah, bemerkte sie, dass es Luftpolstertaschen waren, in die man zerbrechliche Dinge einwickelt, bevor man sie mit der Post verschickt.
    »Mir kann nichts passieren«, stand unter dem Plakat. »Ihnen auch nicht?«
    Es war die Werbung einer Versicherung, die mit der Bank zusammenarbeitete. Vor dem einzigen offenen Schalter standen eine alte Dame und ein junger Mann, der mit dem Bankangestellten heftig debattierte. Omka verstand nur Gesprächsfetzen, hörte aber die Worte »Onlineüberweisung«, »Montag« und dann: »und wo ist das Geld, wenn ich es am Mittwoch überwiesen habe, bis Montag? Schwirrt in den Kabeln herum? Oder wie?«
    Sie rollte mit den Augen und sah auf die Uhr. Obwohl sie sich selber oft genug über das ärgerte, was offenbar der Anlass der Debatte war, hatte sie irgendwann beschlossen, sich über solche Dinge nicht mehr aufzuregen. Die leise und freundliche Stimme des Bankangestellten führte dazu, dass sich sein Gegenüber noch mehr aufregte und sich vor Ärger verschluckte, sodass er husten musste und ihm die Tränen in die Augen traten. »Jetzt«, er hustete, »reicht’s mir, ich löse mein Konto«, er hustete, »auf.«
    »Einen Moment«, war die freundliche Antwort. Der Bankangestellte ging nach hinten und legte dem Mann, als er zurückkam, einen Zettel vor die Nase.
    »Bitte füllen Sie dieses Formular aus, Unterschrift nicht vergessen, und in zwei Wochen wird das Konto aufgelöst, und fünf Euro würden an Gebühren anfallen.« Der noch immer hustende Mann überlegte einen Moment, ließ das Formular dann liegen und ging

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