Omka: Roman (German Edition)
angeführt, dass ihre Bildungskarenz zusammen mit ihrer Schwangerschaftskarenz die gesetzliche Maximalzeit für Berufskarenzierung um zwei Tage überschritten hatte. Als sie sich verteidigte, schnitt man ihr das Wort ab. Omkas Einwand, dass ihr Arbeitgeber ihr am Telefon gesagt hatte, er halte ihre Stelle auf jeden Fall für sie frei, auch wenn ihre Karenz etwas länger dauere, konnte sie nicht belegen, und damit war die Sache rechtlich klar, und der Prozess wurde abgeschlossen. Omka war auffallend gelassen, als sie nach Hause kam. Sie meinte, das sei jetzt eben so und man könne in der Angelegenheit nichts mehr machen. Wozu solle man sich also noch ärgern?
Omka begann, die Zeitungen durchzusehen und die Stellenanzeigen zu lesen. Josef half ihr dabei, und immer, wenn er etwas fand, von dem er dachte, es könnte sie interessieren, schnitt er es aus und brachte es ihr mit. Einmal hatte das Krankenhaus, in dem Omka vor langer Zeit behandelt worden war, ein Stelleninserat geschaltet. Man suchte jemand für die Verwaltung. Wie hypnotisiert hatte sie auf die Anzeige gestarrt, die Kaffeetasse in der Hand, mit einem ungläubigen Gesichtsausdruck. Sie war aufgestanden, hatte das Telefon in die Hand genommen und eine Nummer gewählt. Die Vermittlung des Krankenhauses hatte sich mit einer routinierten Begrüßung gemeldet und Omka weiterverbunden. Josef verstand ihre Erregung nicht, sie konnte auf einmal nicht mehr still sitzen und lief nervös im Zimmer auf und ab, das Telefon in der Hand. »In der Krankenhausverwaltung – von
dem
Krankenhaus«, dachte er sich. »Muss das denn sein? Ausgerechnet da?«
Nachdem sie fünf Minuten lang in der Warteschleife gehangen hatte (Josef konnte das an der sich ständig wiederholenden Musik hören), sprach er aus, was er dachte. »Ich halte das für keine gute Idee«, sagte er. »Ich meine, ausgerechnet da, in diesem Krankenhaus? Wir finden doch sicher etwas anderes für dich.«
Omka sah ihn an, das Telefon in der Hand, das Kind begann zu weinen.
»Ich will nichts anderes!«, sagte sie laut und bestimmt. »Ich will diese Arbeit!«
Nachdem sie alle ihre Unterlagen mit der Post hingeschickt hatte, wurde sie zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen. An diesem Morgen zog sie sich ihr strenges, schwarzes Kostüm mit der weißen Bluse an, steckte ihre langen Haare hoch und schlüpfte in die Schuhe mit den hohen Absätzen, die sie zwar selten trug, in denen sie aber deutlich größer aussah. Streng wollte sie aussehen und seriös und kompetent. Josef brachte sie widerwillig zum Krankenhaus, Omka stieg aus dem Auto und stand vor dem grauen Betonklotz.
»Hässlich«, dachte sie sich. Die Türen öffneten sich vor ihr, und sie hatte den Eindruck, das Krankenhaus verschlucke sie. Drinnen die ewig gleichen Geräusche, das Klingeln von Telefonen, das leise Rascheln von Krankenhauskitteln, die Gummiräder der Betten auf dem Plastikfußboden und metallene Geräusche von Infusionsflaschen, die an das Gestell schlugen, Türen, die geöffnet wurden, aber alles leise. Omka stieg die Treppen hoch und ging an der Geburtenstation vorbei, der Geruch von Desinfektionsmitteln machte ihr Kopfschmerzen, sie ging an der Cafeteria vorbei und warf einen Blick hinein. Dort, auf den gelben Plastikstühlen saßen Patienten mit ihren Angehörigen, Schläuche führten in Arme und aus Wunden, sie sah einen Rollstuhl und eine Frau mit einem verbundenen Kopf, die Kuchen aß. Weil sie aber keine Zeit mehr hatte, sich einen Tee oder ein Stück Kuchen zu bestellen, wandte sie sich ab und lief den Gang entlang. Am Ende war eine Tür, Omka klopfte an, und es dauerte eine halbe Stunde, bis sie aus derselben Tür wieder herauskam. Zu Hause sagte sie am Abend zu Josef: »Sie haben gesagt, sie melden sich.«
Von da an wartete sie auf den Brief oder Anruf vom Krankenhaus.
Das Kind war am Vormittag immer bei Velinka. Sie kümmerte sich um den kleinen Jungen, spielte mit ihm, und er mochte sie sehr, klammerte sich aber trotzdem ängstlich an seine Mutter, wann immer sie in der Nähe war.
»Ich glaube, mit Jonas stimmt irgendetwas nicht«, sagte Omka zu Josef. »Ich kann einfach nicht verstehen, warum er so sehr an mir hängt.«
Josef sah sie verwundert an. »Du bist seine Mutter«, sagte er.
»Ja, schon. Aber trotzdem – ich meine, das ist doch nicht normal.«
Draußen hingen die sommerlichen Regenwolken in den Spitzen der Bäume, und kühler Dunst lag in der Luft.
»Das verstehe ich nicht«, sagte Josef. »Du bist
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