Omka: Roman (German Edition)
perlenden rosa Schaumwein darin fiel Omka Josef ein. Sie dachte an das, was er gesagt hatte.
»Du bist eben seine Mutter. Du brauchst Abwechslung. Wir finden etwas anderes für dich. Meinst du, dass das vernünftig ist?«
»Immer weißt du alles«, dachte sie sich dann. Jonas fiel ihr ein, der zu Hause war und da bleiben würde, bis sie tot war, Josef, der sich um sie kümmerte und nicht zulassen würde, dass sie in ihr Unglück rannte, und sie fühlte sich, als würde etwas auf ihr sitzen und schwer auf sie drücken. Sie rief sich ihr Studium ins Gedächtnis, ihren Doktortitel, ihr Sparbuch und das Haus, das sie besaß, aber es beruhigte sie nicht. Das leise, tief sitzende Gefühl des Mangels war wieder da, es fühlte sich an, als wäre ihr Brustkorb ein leerer Käfig aus Knochen. Aber dann fiel ihr die Nacht ein. Josef, der das Beste für sie wollte, der klug war, ihr immer geholfen hatte und dessen Ratschläge ernst zu nehmen waren, den sie mit der Hand an seinem Hals niederdrückte und der es sich gefallen ließ, ihren herrischen Ton, ihre Finger, die sich in seine Schultern bohrten, ihre Hand in seinem Gesicht. Dann besah sie sich die Taschen mit ihren Einkäufen. Die glatte Stelle war dann weniger zu spüren, und sie hatte nicht mehr so sehr das Gefühl, es fehle ihr etwas, und sie schämte sich.
Josef saß an seinem Schreibtisch und bebte. Seine Hände zitterten, und als wäre er jemand anderer, sagte er noch einmal: »Josef.«
Seine Sekretärin kam eben um die Ecke, sah ihn an und ging weiter, besann sich, drehte um und fragte ihn: »Geht es Ihnen nicht gut, Herr Grentshäuser?« Einen Moment lang war er versucht, ihr alles zu erzählen, aber dann sagte er nur schnell: »Nein, alles in Ordnung. Und vielen Dank. Würden Sie mir noch eine Tasse Kaffee bringen?«
Er verstand seine plötzliche Unruhe nicht und versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Und wenn sie nun absichtlich grob und ablehnend zu ihm war, was wäre dann? Immerhin hatte sie jetzt das Kind, das sie unbedingt wollte, also was sollte sie noch von ihm brauchen, wo ihre Amnesie weg war und sie sich erinnern konnte, dass sie einen anständigen Beruf hatte und eigenes Geld. Wenn man nun ihre Grobheit in der Nacht beiseiteließ, warum, und das konnte er sich nicht erklären, freute es sie so, wenn er sich ärgerte? Der böse Gedanke, dass sie ihm manchmal absichtlich so lange auf die Zehen trat, bis ihn die Wut packte, und dann so tat, als verstünde sie überhaupt nicht, weshalb er sich jetzt ärgere, ließ ihn nicht mehr los. Sie wurde dann immer sehr ruhig, und er meinte, etwas Triumphales an ihr zu entdecken. Plötzlich musste er kichern und fühlte sich wieder wie ein kleiner Junge, der gerade etwas tat, was seine Mutter ihm verboten hatte. Tausendmal hatte sie ihm gesagt, dass alle Menschen sich Mühe gäben und jeder das tat, was er für das Beste hielt, und dass schlechte Gedanken über andere letzten Endes nur Schaden anrichten würden. Wie befreiend erschien ihm plötzlich diese Idee: Omkas Verhalten ergab sich aus der reinen Berechnung. Sie wohnte bei ihm, der schon lange ohne Frau gewesen war, und hatte sich vom ersten Tag an unentbehrlich gemacht, sich um das Haus gekümmert, gekocht und war nach nicht sehr langer Zeit in der Nacht zu ihm ins Bett gekommen, um keine drei Monate danach ihre erste Schwangerschaft zu verkünden. Die Verbissenheit, mit der sie dann immer wieder schwanger wurde, bis sie tatsächlich eines der Kinder austragen konnte, dem sie jetzt, wo es auf der Welt war, wenig Beachtung schenkte, erschien ihm im Lichte der neuen Erkenntnis vollkommen logisch. Schrecklich fand er auch die Idee, dass Jonas nur Mittel zum Zweck war und Omka deshalb jetzt, wo er auf der Welt war, kaum mehr Interesse für ihn zeigte. Als entwirre er ein Gespinst aus Lügen und Strategien, von dem er nicht mehr lassen konnte und das ihm mit einem Mal wahrer erschien als alles andere, dachte er weiter. Sie hatte ihm einmal Geld gegeben und ihm erzählt, sie sei einigermaßen vermögend und besitze ein eigenes Haus und einen guten Beruf, was er nie nachgeprüft hatte. Offenbar war ihre erste Ehe geschieden worden, und zu ihren Eltern hatte sie keinen Kontakt. Jetzt saß sie mit einem Kind von ihm in seinem Haus, im Gegensatz zu ihm war sie sich seiner Position und seines Vermögens bewusst. Wenn alles stimmte, was sie ihm über sich gesagt hatte, warum verhielt sie sich dann so, als brauche sie unbedingt etwas von ihm, von dem sie aber
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