Omka: Roman (German Edition)
und sich unterhielten. Omka sah wieder hinunter, und da stand ein Mann in Uniform, der etwas sagte, was sie nicht hören konnte, und auf die Kinder zeigte. Omka dachte daran, Jonas im Kinderwagen einmal hierher mitzunehmen, es gab in ihrer Nähe keinen Park. Ihr Blick fiel auf eine Zeitung, auf deren Titelblatt von irgendeiner Hungersnot in Alma, Rumänien, berichtet wurde. Sie trank ihr Glas aus, stellte es ab, winkte dem Kellner, der die Rechnung brachte, und gab ihm mit Absicht zu viel Trinkgeld, sodass er sie verwundert ansah und sie aber nur wohlwollend nickte. Plötzlich erschien ihr alles wieder neu und die Welt frisch und interessant, sie erinnerte sich an die Zeit im Krankenhaus, und dann fiel ihr die Absage wieder ein, die sie auf ihre Bewerbung bekommen hatte.
»Ach, zum Henker!«, sagte sie laut, aber es hörte niemand, weil die Musik und die Geräusche des Einkaufszentrums das Meiste übertönten. Sie dachte an Josef, und plötzlich schämte sie sich ein bisschen, hier zu sein und Champagner zu trinken, während er im Büro hinter seinen Plänen saß, schob das Gefühl aber wieder beiseite. Schließlich hatte er zu ihr gesagt, sie solle hinausgehen, etwas Zeit unter Leuten verbringen und nicht immer nur zu Hause sein, weil ihr das nicht guttun würde. Jetzt bemerkte sie, dass er wirklich recht hatte. Ihr Blick fiel auf das Schaufenster eines Geschäfts neben dem Café, und sie sah eine fast nackte Frauenfigur, die rote Schuhe trug. Sie sahen aus wie Tanzschuhe.
Omka betrat nach kurzem Zögern das Geschäft. Als sie noch ein Kind gewesen war, hatte sie immer solche Schuhe haben wollen, was ihr im Erwachsenenalter dann selber dumm vorkam, und sie fand es jetzt noch immer ein bisschen lächerlich, aber nach kurzer Zeit verließ sie den Laden mit den in weißem Knisterpapier eingewickelten und in einer schwarzen Schachtel verpackten roten, viel zu teuren Tanzschuhen. »Die roten Schuhe«, dachte sie dann. Irgendetwas an diesen drei Wörtern kam ihr bekannt vor, ihr fiel aber nicht mehr ein, was es war.
Josef hörte immer noch seinen Vornamen und hatte furchtbare Angst und wusste nicht, weshalb.
Omka war im Einkaufszentrum und warf dreitausend in den Wind und fühlte sich frei.
Sie kaufte sich Schuhe, Kleider, einen Hut, ein paar Handschuhe, Unterwäsche, Porzellan mit einem Goldrand und einen türkisen Seidenschal. Sie lief mit den Einkaufstüten auf die Damentoilette, um sich umzuziehen, schlüpfte in ein taubenblaues Kleid, setzte sich den großen, cremefarbenen Hut und eine dunkle Sonnenbrille auf, zog die schwarzen Spitzenhandschuhe über und griff dann erwartungsvoll nach der Schachtel mit den Schuhen.
»Ein viel zu teurer Missgriff«, dachte Omka bei sich und ärgerte sich über sich selbst, dass sie in einem solchen Moment solche Sachen dachte.
»Und zum Kleid passen sie auch nicht«, dachte sie weiter, »ach was!« – und beschloss, sich zu freuen. Als sie die leuchtendroten Schuhe auspackte, freute sie sich auch wirklich. Und als sie sie angezogen hatte, fühlte sie sich befreit von den unangenehmen Gedanken. Es war zwar dumm, sich solche unpraktischen, teuren Schuhe zu kaufen, aber sie fühlte sich lebendig in diesem sinnlosen und überflüssigen Kauf und hatte genug Geld, warum also nicht?
Omka stellte sich vor den Spiegel der Damentoilette und fühlte sich richtig und mächtig in ihren neuen Kleidern, ein bisschen wie in einem Kampfanzug. Die Schuhe passten zwar nicht ganz zu dem grauen Blau des Kleides, der Hut war etwas groß, aber die Sonnenbrille und die Handschuhe verliehen Omka etwas Unnahbares, Arrogantes und Eigenes. Genauso wollte sie sich im Moment fühlen, und dieses Gefühl war ihr alles Geld der Welt wert. Sie beschloss, noch einmal in dasselbe Café zu gehen, wo sie schon vor ihren Einkäufen war.
Sie setzte sie sich noch mal an denselben Tisch und bestellte Champagner Rosé. Der Kellner mit dem Drachen kam und erkannte sie erst nicht, denn jetzt sah sie aus wie ein hungriges Gespenst. Erst als sie den Champagner bestellte und die Sonnenbrille abnahm, fiel dem Kellner das hohe Trinkgeld von vorhin wieder ein, und er freute sich, sie wiederzusehen. Omka sah den Drachen auf seinem Arm, und der Blick des Kellners fiel auf ihre Schuhe.
»Was für hübsche Tanzschuhe«, sagte er, um ihr ein Kompliment zu machen. Omka lächelte und sah kokett zu Boden. Dann ging er und brachte den Champagner in einem hohen, schlanken Glas.
Beim Anblick des Glases mit dem
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