Omnia vincit amor - Liebe besiegt alles
der christlichen gar nicht so unähnlich. Man brach und teilte das Brot, trank den Wein und verknotete ein Band über Hallows und Davids rechter Hand. Einen Satz werde ich jedoch nie vergessen.
»Der Knoten ist gebunden und Eure Liebe miteinander verbunden.«
»Dieser Knoten«, erklärte mir Elias flüsternd, »bleibt bestehen, so lange sie verheiratet sein möchten. Eine Scheidung vollziehen sie, indem sie ihn lösen.«
Hallow hielt das verknotete Band in ihren zitternden Händen und lächelte David verträumt an. Handfasting nannte sich diese Zeremonie. Wunderschön und sehr emotional, wie ich fand. Besonders, als Hallow das Band an uns übergab, um weitere Knoten hineinzubinden. Ich hatte ein bisschen Angst, dass ich das Ding kaputt machen könnte, zurrte jedoch einen weiteren Knoten hinein und wünschte den beiden ein langes Leben. Auch mir zuliebe. Feierlich schloss die Priesterin die Zeremonie und ich konnte gar nicht schnell genug bei David sein. Stürmisch fiel ich ihm um den Hals.
»Herzlichen Glückwunsch«, nuschelte ich in sein Hemd und genoss den Geruch meiner Kindheit. Auch wenn mein älterer Bruder nun schon Tierarzt und ein gestandener Mann war, so roch er für mich doch immer noch nach dem David, der mit mir in einer Badewanne gesessen und bei Gewitter in einem Bett geschlafen hatte. Weinend ließ ich ihn los und knuffte ihn fest gegen die Brust.
»Wehe, ich werde jetzt nicht ganz bald Tante!«, schluchzte ich gespielt drohend. Mein Bruder lachte und sah zu seiner zauberhaften Braut. Erst jetzt fiel mir auf, dass sie kein Makeup trug. Ihr Gesicht wirkte dadurch viel wacher und sanfter als sonst. Der Schleier und mehrere ihrer Haarsträhnen wehten ihr vor die Augen und ein glockenhelles Lachen erklang. Ich hatte Hallow noch nie so gelöst und glücklich gesehen. Meine Mutter packte sie von hinten um die Hüfte und drehte sie zu sich um. Hallows Eltern waren nicht da. Ihre Familie war ihr Zirkel und nun auch die Familie Michels. Eine weitere Windböe wehte durch die Bäume zu uns herüber und es begann, Blätter zu regnen. Lächelnd sah ich zu Calimero und Michael, die kichernd ihre vollen Hände in den Wind hielten. Elias‘ kühle Hand ergriff wieder die meine. Ruhig beobachteten wir das glückliche Brautpaar und die lachenden Hexen, doch mir wurde es ganz schwer ums Herz. Die Freude wich einer schmerzlichen Traurigkeit.
»Wir werden noch hier sein, wenn ihre Kinder längst Vergangenheit sind«, flüsterte ich meine Gedanken in den Wind.
»Menschen werden geboren und sterben, das ist der Lauf der Dinge«, antwortete die ruhige, warme Stimme meines Mannes. »Alles, was wir tun können, ist, die Zeit mit ihnen zu genießen und nicht an das Vergängliche zu denken.«
Eine Träne rollte meine Wangen hinunter und als Hallow zu mir herübersah, lächelte ich sie an. Sie musste nicht den wahren Grund meines Weinens wissen. An der Unsterblichkeit war nichts Romantisches. Elias war nicht der Romanheld, der mit seiner Geliebten im unendlichen Meer der Zeit abtauchte. Nein, ich war ein einfaches Mädchen, das Freunde und Familie hatte. Menschen und Wandler, die ich schmerzlich vermissen würde. Aber die Liebe zu meinem unsterblichen Mann war größer und ließ mich den Schmerz ertragen. Wer behauptet, dass es wunderschön wäre, unsterblich zu sein, der lügt. Es ist eine Bürde, die einen bei jedem Tod eines geliebten Menschen weiter in den Strudel aus Trauer und Schmerz drückt. Elias‘ amethystfarbene Augen sahen mich an und alles, was ich fühlte war: Liebe.
Bonus Kapitel - Lilly
Als ich wach wurde, war ich einen Moment lang irritiert. Es war schon lange her, dass die gesamte Familie gemeinsam in den Urlaub gefahren war, doch Papas Heimweh nach Rumänien war unerträglich geworden und so hatten wir alles zusammengepackt, um zwei Wochen die Ruhe und die Landschaft zu genießen. Das Schöne an diesem fremden Bett war, dass mein Bruder neben mir lag. Mein Herz hüpfte vor Freude, weil ich seine schwarzen Haare gleich erblicken würde, wenn ich meine Augen öffnete. Calimero, na ja, eigentlich hieß er David wie mein Onkel, aber unsere Eltern hatten ihm als Kind den Spitznamen Calimero gegeben und nun konnten wir es uns nicht mehr abgewöhnen, ihn so zu nennen. Jedenfalls schlief er noch und ich lauschte seinem regelmäßigen Atem.
Vorsichtig tastete ich mich telepathisch in seinen Kopf hinein. Wenn mein Bruder nicht genug Blut getrunken hatte, machte sich eine angeborene Behinderung bei ihm
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