Omnia vincit amor - Liebe besiegt alles
geschundene, traurige Gesicht meines Mannes, doch auch er schien sich gerade aus David keinen Reim machen zu können. Anastasija führte Melissa mit einem Arm um ihre Taille zu uns.
»Was wird das?«, sprach Hallow aus, was wir alle dachten und ihr skeptischer Blick traf mich. Ich zuckte mit den Schultern. Da standen wir nun. Melissa, Anastasija, Hallow, David, Elias und ich.
»Ich habe das Gefühl, dass hier seit Tagen jeder für sich sein Päckchen mit sich herumschleppt und keiner traut sich etwas zu sagen«, begann mein Bruder.
Ich sah in die Augen meiner Freunde und schluckte.
»Wie wäre es, wenn wir uns, einfach so, einmal alle an die Hand nehmen und tief durchatmen. Manchmal kann ein Gefühl von Zugehö…«
»Als ob das etwas ändern würde«, unterbrach Elias meinen Bruder und sah uns alle genervt an. »Ich kann noch so viel atmen, das ändert auch nichts daran, dass meine Mutter tot ist, mein Vater kurz davor steht, ihr zu folgen und ich Leire getötet habe.«
David hielt Elias‘ vorwurfsvollem Blick stand.
»Und ich habe meinen leiblichen Vater getötet«, erklang Melissas zerbrechliche Stimme. »Er war es nicht wert zu leben… aber trotzdem, er war mein Vater und ich hatte nie die Gelegenheit, ihn kennenzulernen.«
»Höchstens dein Erzeuger«, sagte ich und sah der kleinen Vampirin tief in die Augen. »Dein Vater ist draußen bei Heinrich.«
»Meine Mutter kommt nicht wieder«, seufzte Anastasija und musterte den Boden, »und Papa wird ihr folgen.«
»Die letzten Wochen, Monate und Jahre waren nicht leicht«, versuchte Hallow sich an einem kleinen Trost, »aber jetzt ist es überstanden.«
David und Elias lieferten sich immer noch ein Blickduell, aus welchem ich nicht schlau wurde.
»Auch wenn ich immer noch Alpträume habe«, fügte die Hexe schließlich seufzend hinzu.
»Wird das jetzt hier so eine Art Gruppentherapie für Überlebende?«, fragte ich und wollte den Kreis verlassen, um nach meinem schlafenden Kind zu sehen, aber David hielt mich am Arm fest. Ich sah zu ihm hoch, doch seine Augen hatten Elias‘ Gesicht nicht verlassen. Letzterer wirkte wie ein scheues Tier, welches in die Ecke getrieben wurde. Ich knuffte meinen Bruder.
»Hey, redet laut! Die Telepathie tut ihm weh!«
»Wir reden gar nicht«, antwortete mein Bruder und ging einen Schritt auf Elias zu, der schweigend zurück wich. »Bin ich der Einzige, der es bemerkt?«
»Was?«, wollte ich wissen und musterte wie die anderen meinen Mann.
»Er blutet aus einer Wunde, die nicht offenliegt.«
Elias sah verwirrt an sich herunter.
»Und nicht nur er. Jeder hat hier eine Verletzung, die eine größer, die andere kleiner. Selbstmitleid fließt in Sturzbächen aus ihnen heraus und wir baden uns darin, als hätten wir diesen Kampf verloren.«
Ja, das taten wir, denn aus Hass und Gewalt kann kein wahrer Gewinner hervorgehen. Wie könnte man sich auch als Gewinner fühlen, wenn man so viel verloren hatte?
Niemals. Als Ana zu weinen begann, brach das Eis. Elias verließ den Kreis, um seine Schwester zu umarmen und am Ende fanden wir uns in einer großen Umarmung wieder, die Wunden schloss, Herzen heilte und Mut machte.
Eines wurde mir in diesem Moment klar: Egal ob sterblich oder unsterblich, irgendwann ist unsere Zeit auf dieser Welt zu Ende und deshalb sollten wir unsere Familie und Freunde nie für selbstverständlich erachten. Umarmt sie jeden Tag und zeigt ihnen, wie viel sie euch bedeuten, denn Liebe wird immer der Gewinner bleiben.
Omnia vincit amor.
Die Liebe besiegt alles.
Epilog
5 Jahre später
Ich atmete die kühle, schottische Nachtluft ein und lauschte dem fernen Peitschen der Wellen gegen die Klippen. Es war, als säuselten sie ein leises Lied. Der Wind blies durch das feuchte Gras und lies die Halme mit meinen Fesseln spielen. Die glasklare Stimme einer Wicca erfüllte die Nacht, während sie einen steinernen Altar mit Blumen, Brot und Wein schmückte. Ihr Lied klang so ruhig und friedlich, aber dennoch auf eine wunderbare Weise schwermütig und voller Sehnsucht. Ich lächelte meinen Bruder David an. Er sah so schick aus in seinem cremefarbenen Anzug und den blankgeputzten Schuhen. Ich wusste, dass er furchtbar aufgeregt war, aber er lächelte tapfer zurück. Ich kam mir vor wie in einem keltischen Märchen, ganz anders als noch am Morgen in Deutschland im Standesamt. Dort hatten Jeans, T-Shirt und anschließend ein Frühstück bei McDonalds gereicht, bevor wir zum Flughafen fuhren. Aber hier erfüllte
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