Omnia vincit amor - Liebe besiegt alles
bemerkbar. Deshalb überprüfte ich jeden Morgen nach dem Aufwachen erst einmal seinen geistigen Zustand und lies ihn an meinem Arm trinken, bis es ihm wieder besser ging. Unsere Hausärztin, Doktor Bruhns, meinte, die Krankheit käme daher, dass Calimero ein gestaltwandelnder Vampir sei, aber das bin ich auch und Gott alleine weiß, warum mir dieses Schicksal erspart geblieben ist!
Papa und Tante Anastasija sind genau wie ich Telepathen, doch diese Fähigkeit hat mein Bruder nicht geerbt. Aber ich kann dafür damit mittlerweile sogar schon besser umgehen als Papa. Das habe ich von Tante Ana, der ich wohl überhaupt ihn vielem gleiche. Wir sehen nicht nur beide meiner Oma Emilia sehr ähnlich, die leider schon lange vor meiner Geburt gestorben ist, sondern teilen auch die unerschrockene und tiefempfundene Liebe zu unseren Brüdern.
Ana liebt meinen Vater genauso abgöttisch wie ich meinen Calimero. Mein Bruder ist die Luft, die ich zum Atmen brauche. Ich finde es auch nicht schlimm, dass sein Verstand nicht immer gleichgut funktionier, denn ich würde notfalls bis zum Ende aller Tage an seiner Seite sein und auf ihn aufpassen.
Vorsichtig strich ich ihm über das schwarze Haar und wartete, dass er seine Augen öffnete. Genau wie unser Opa Friedrich und auch Onkel David sah Calimero die Welt aus himmelblauen Augen. Als er sie blinzelnd öffnete, waren sie allerdings gerade dunkelblau wie der Ozean. Ein Zeichen dafür, dass er bald etwas Blut brauchte. Sein Verstand war noch klar, aber bröckelte schon leicht. Er brauchte dann bedeutend länger als jeder andere Vampir oder gar Menschen, um zu begreifen, wo er gerade war. Seine Augen suchten eine Weile den Raum ab, bevor er mich mit einem müden Lächeln ansah.
»Ach ja, wir sind ja in Rumänien«, gluckste er verschlafen und räusperte sich.
»Ich wünsche dir auch einen guten Morgen, Cali.« Sein kühler Arm klatschte auf meinen Bauch und ich quietschte erschrocken, als er mich fest drücken. »Hab ich dich, du kleine Hexe mal neben mir liegen habe«, nuschelte er.
»Das klein nimmst du zurück!«, protestierte ich. »Ich bin sechzehn.«
»Und ich Zweiunddreißig. Gut, dass wir das noch mal festgehalten haben.«
Wir horchten beide auf, als wir das Gähnen unserer Mutter hörten und dass im Nachbarzimmer eine Decke aufgeschlagen wurde. Sie hatte uns gestern Nacht, als wir in der Blockhütte angekommen waren, versprochen, dass sie heute Pfannkuchen zum Frühstück machen würde. Anscheinend hatte sie vor das Versprechen zu halten, denn ich hörte, wie sie in die Küche lief.
»Pfannkuchen, hmmmmm!«, brummte David und auch mir lief das Wasser im Mund zusammen. Ein Klopfen an unserer Tür erklang und Papa erschien in T-Shirt und Boxershorts. Wir setzten uns auf und sahen ihn erwartungsvoll an. Sein erster Blick glitt wie immer zu Calimero. Ganz, ganz früher hatte es mich eifersüchtig gemacht, dass alle Aufmerksamkeit immer erst ihm gegolten hatte. Mittlerweile war ich jedoch alt genug, um zu verstehen, wie wichtig das war. Wenn er so wenig Blut wie jetzt in sich hatte, konnte es schon mal sein, dass er vergaß zu trinken. Die Entschuldigung für die zweitrangige Behandlung folgte sofort. Mein Vater hatte eine ganz spezielle Art, mich anzusehen. Voller Liebe und Stolz. Er sah mich immer an, als hätte ich gerade die Welt gerettet oder ein Mittel gegen alle Krankheiten auf einmal erfunden. Ich wusste nicht, womit ich diesen Blick verdient hatte, doch er jagte mir jedes Mal einen angenehm kalten Schauer über den Rücken.
»Guten Morgen ihr zwei«, streichelte Papas warme Stimme meine Seele.
»Schhhhhhhhhhhhhhhhhhh……eiß……blöde Pfannkuchen!«, hörte ich Mama in der Küche schreien. Papa drehte sich kurz um und sah dann wieder zu uns. Hinter ihm erschien ein rotblonder Schopf, den ich nur zu gut kannte. Panisch zog ich die Decke hoch.
»Aufstehen, ihr Penner!«, sagte Michael fröhlich. Rein formell gesehen war er unser Onkel, weil Mamas Eltern ihn großgezogen hatten, doch er war nur ein paar Jahre älter als Calimero. Mama nannte ihn zwar immer ihren kleinen Bruder, aber irgendwie konnte ich mich an den Gedanken nicht so richtig gewöhnen. Vielleicht weil ich ein bisschen in ihn verliebt war? Aber nur ein bisschen … ehrlich! Na ja, gut, ich war hoffnungslos verknallt in den rotblonden Engel, der meine Beine mit seinem Lächeln in Wackelpudding verwandeln konnte. Aber verdammt, er war mein Onkel! Wenn auch nicht biologisch … Mist!
»Michael und
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