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On se left you see se Siegessäule: Erlebnisse eines Stadtbilderklärers (German Edition)

On se left you see se Siegessäule: Erlebnisse eines Stadtbilderklärers (German Edition)

Titel: On se left you see se Siegessäule: Erlebnisse eines Stadtbilderklärers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Birr
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heißt Klaus – ?«
    »Kinski!«
    »Gummibärchen für Kralmeyer!«
    Jubel.
    »Rechts der Berliner Dom, gebaut von Julius Raschdorff, eröffnet im Jahr 1905, wurde im Krieg – ?«
    » STARK BESCHÄDIGT UND DANACH WIEDER AUFGEBAUT !«
    Sie hingen an meinen Lippen. So muss sich Goebbels im Sportpalast gefühlt haben.
    »Links das Nikolaiviertel. Ich sag nur Krieg und 750-Jahr-Feier. Die Häuser sind allesamt aus dem Jahr – ?«
    » NEUNZEHNHUNDERTSIEBENUNDACHTZIG !«
    Ich hätte ihnen befehlen können, über die Reling zu springen und die anderen Schiffe zu entern, sie hätten es getan.
    »Wie heißt die Bundeshauptstadt?«
    » BERLIN !«
    »Was ist der Nabel der Welt?«
    » BERLIN !«
    »Wo wollt ihr wohnen, wenn ihr mal groß seid?«
    » BERLINBERLINBERLIN !«
    Die fanatisierte Masse wird lenkbar. Klaus steckte seinen Kopf aus der Bar:
    »Mein Führer, wir legen an. Machste mal Schluss langsam?«
    »Liebe Oberfranken, das wars. Ich verabschiede mich, wünsche euch weiterhin viel Spaß in Berlin und verbleibe: euer Stadtbilderklärer Tilman.«
    Jubel. Erleuchtet gingen die Schüler von Bord. Ich schüttelte Hände und verteilte Autogramme. Schultern wurden geschlagen und High Fives beantwortet. Herr Kralmeyer ließ sich mit mir fotografieren. Nur die Lehrerin drückte mir zehn Euro in die Hand und sagte: »Na ja.«
    Ein Mädchen kam zu mir:
    »Ich glaube, ich hab die meisten Gummibärchenpackungen.«
    »Moment mal gerade«, sagte ich und ging zu Klaus an die Bar. Als ich zurückkam, drückte ich dem Mädchen eine Plastiktüte in die Hand.
    »Hier«, sagte ich. »Aber nicht alles auf einmal austrinken.«
    Sie sah mich an, als hätte ich ihr gerade einen hollywoodartigen Koffer mit vielen weißen Päckchen darin gegeben.
    »Äh, nee«, sagte sie und ging etwas irritiert von Bord. Ich war mir aber sicher, dass irgendjemand an diesem Abend mit dem 24-Fläschchen-Bomber Kümmerling für ein großes Hallo in einer Jugendherberge sorgen würde.

Dis kammer nich so verallgemeinern
    A m Geländer am Ufer standen zwei Mädchen und un-terhielten sich. Sie waren bunt gekleidet, waren Anfang zwanzig, und sie waren Inderinnen. Der Einfachheit halber wird der Dialog hier auf Deutsch wiedergegeben.
    »Weißte, die Deutschen sind da einfach ganz anders. Die sind nicht so rigide in ihrer Weltanschauung und nicht so furchtbar traditionalistisch. Tradition ist bei den meisten hier schon verpönt, gerade bei den jungen Leuten. Du kannst in Berlin eigentlich tun und lassen, was du willst, und es ist allen scheißegal.«
    »Ja? Was denn zum Beispiel?«
    »Na, so alles so. Alles, was mit Kleidung zu tun hat zum Beispiel: Du kannst einen Bademantel tragen oder einen Kartoffelsack, und niemanden stört das. Oder Aussehen allgemein. Manche Leute rasieren sich zum Beispiel auf einer Seite die Haare ab und legen die andere Seite quer übers Gesicht. Das sieht total bescheuert aus, aber das stört hier niemanden. Das ist eine ganz andere Weltanschauung. Nicht so verklemmt wie bei uns.«
    »Ach, das ist ja interessant. Und das ist in ganz Deutschland so?«
    »Naja, in ganz Deutschland nicht, aber in den großen Städten schon. Im Süden ist das noch so ein bisschen anders. Der Süden Deutschlands ist ja ganz anders als der Norden. Allein schon religiös. Und der Osten ist nochmal was ganz anderes. Das weiß bei uns aber niemand. Wenn du in Kalkutta jemandem erzählst, du gehst nach Deutschland, dann sagt der nur: ach ja, Oktoberfest und so. Da ist unser indisches Deutschlandbild noch ziemlich stark von Vorurteilen und Klischees geprägt.«
    »Hm … Das wird ja auch Zeit, dass sich das mal ändert.«
    »Auf jeden Fall. Das hat mich in Kalkutta schon ziemlich genervt. Die wollen einfach gar nicht über ihren beschränkten indischen Tellerrand hinausgucken. Die Welt hört aber nicht an der pakistanischen Grenze auf.«
    »Nee.«
    »Das müssen die auch mal einsehen.«
    »Ja.«
    »Die Deutschen sind da ganz anders, die interessieren sich richtig. Die fragen mich immer, wo ich herkomme, warum ich so gut deutsch spreche, und ganz viele Studenten waren auch schon mal in Indien. Die kennen uns besser als wir die.«
    »Aber sag mal, das mit dem Bier, ist das auch nur ein Klischee, oder stimmt das wirklich?«
    »Was denn?«
    »Na, dass die Deutschen dauernd Bier trinken und dann auch noch so viel.«
    »Das kann man so nicht sagen. Das muss man differenziert betrachten. Das kann man nicht so vereinfachen. Die Deutschen trinken schon viel Bier, aber noch

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