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On se left you see se Siegessäule: Erlebnisse eines Stadtbilderklärers (German Edition)

On se left you see se Siegessäule: Erlebnisse eines Stadtbilderklärers (German Edition)

Titel: On se left you see se Siegessäule: Erlebnisse eines Stadtbilderklärers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Birr
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worden.«
    Ich erzählte ihr die Geschichte, und sie war sehr amüsiert.
    »Und meinst du, das lag am Hut?«, fragte sie schließlich.
    »Keine Ahnung. Oder am Hemd? Oder woran?«
    »Wenn du da gesessen und eine Zigarette gedreht hast, dann lag es vielleicht daran. Vielleicht haben die geglaubt, du drehst da eine Tüte.«
    »Äh … ja … das kann auch sein.«
    Schade. Ich hatte gedacht, ich sähe mit dem Hut besonders verwegen aus und könnte ihn für das von ihr vorgeschlagene Projekt »Tilman lädt sich mal wieder jemanden ein« verwenden.
    Ich legte den Hut auf ihren Schreibtisch.
    »Jetzt erzähl doch mal was über diesen Marco«, sagte ich. »Ihr kennt euch schon eine Weile?«
    »Ach, der! Der soll nur seinen Hut abholen und verschwinden.«
    »Ist was passiert?«
    »Nee, nee. Aber ich weiß doch jetzt schon, dass das nix wird.«
    »Heute Morgen hast du aber noch gesagt –«
    »Ach, heute Morgen! Ich hab es mir anders überlegt.«
    »Das ging aber schnell.«
    »Pff …«, machte Anna.

Dein Führer
    M ittwochmittag, kleines Schiff ab Friedrichstraße. Eine Schülergruppe hatte sechzig Plätze reserviert und damit das gesamte Schiff für sich alleine. Als wir anlegten, sah ich schon die Horde am Ufer stehen, bereit zum Entern. Ich schätzte sie auf 9. oder 10. Klasse.
    Es war wie in jeder Schulklasse und wie es immer sein wird: Vorne saßen die Streber mit dem T-Shirt in der Hose und den Brustbeuteln darüber (»In Berlin gibt es Taschendiebe!« – »Ja, Mutti!«). Die coolen Jungs – Baseballmütze, Basketballtrikot, Tennisschuhe – setzten sich sofort ganz hinten hin und gaben sich Mühe, schlechtgelaunt auszusehen. Eine Konstante menschlicher Schülerexistenz.
    Alles klar, dachte ich. Eine Scheißtour ohne Trinkgeld. Klaus kam zu mir und gab mir eine Plastiktrommel mit kleinen Gummibärchenpackungen in die Hand.
    »Hier.«
    »Was ist das denn?«, fragte ich.
    »Ach so, du weißt das gar nicht. Wenn wir hier große Vorbestellungen mit vielen Kindern haben, gibts für die immer Gummibärchen. Kannste am Schluss verteilen.«
    Ob Fünfzehnjährige auf Süßkram scharf sind? Zwanzig Minuten lang, vom Einsteigen bis zum Ablegen, sprangen sie in der Gegend herum, beleidigten einander und ihre gegenseitigen Mütter und bewarfen sich gegenseitig mit Erdnussflips.
    Nützt ja nichts, dachte ich und begann:
    »Hallo, herzlich willkommen an Bord, mein Name ist Tilman, und ich bin euer Stadtbilderklärer heute.«
    Ich schaute in die Menge. Ein Junge sah mich an und sagte: »Ja, na und?«
    Stimmt. Er hatte recht.
    »Ich hab mir für heute was ausgedacht. Ich stelle euch Fragen, und für jede richtige Antwort gibt es von mir eine Belohnung. Einverstanden?«
    »Machn Abflug«, sagte einer der größten Wichtigtuer in den hinteren Reihen. War das eine Realschule?
    »Ich habe hier eine große Trommel Gummibärchen stehen. Eine richtige Antwort, eine Packung Gummibärchen.«
    »Scheiß auf Gummibärchen, wir wollen Tequila«, kam es von hinten. Der war wohl vor kurzem zum ersten Mal besoffen.
    »Also, Frage eins: Wo kommt ihr her?«
    »Von draus vom Walde«, sagte die hintere Reihe.
    »Oberfranken«, sagten ein paar andere.
    »Die Antwort ist richtig«, sagte ich und schmiss ein paar Packungen ziellos in die Menge. Sofort stürzte sich die Meute auf die Gummibärchen, wie hungrige Löwen auf einen verirrten britischen Afrikaforscher. Scheint ja doch zu klappen. Die letzten Reihen bemühten sich, einen gelangweilten Eindruck zu machen und sich von Gummibärchen dabei nicht ablenken zu lassen. Ein Spruch zum Auflockern:
    »Man muss Gott für alles danken, selbst für einen Oberfranken.«
    »Ey, pass auf, was du sagst«, grunzten die Gangster von hinten. Wir legten ab.
    »Also, los gehts. Rechts das Theater am Schiffbauerdamm. Es wurde berühmt, als hier 1928 die Dreigroschenoper uraufgeführt wurde. Wer kann mir sagen, wer die Dreigroschenoper geschrieben hat?«
    »Dei Mudder!«
    Die Klasse lachte. Vielleicht war das ja sogar eine Hauptschulklasse. Und ich hatte mein Pfefferspray nicht dabei.
    »Ich geb euch einen Tip. Der Nachname fängt mit B an.«
    »Goethe«, sagte ein Junge mit FC -Nürnberg-Schal um den Hals.
    »Nee«, sagte ich. »Nochn Tip: Der Vorname fängt auch mit B an.«
    »Schiller«, sagte jemand anders. Doch keine Hauptschule.
    »Benjamin Blümchen«, rief es von hinten. So richtig lief die Sache noch nicht an.
    »Bertolt Brecht heißt der Mann. Lyriker, Dramatiker, Kommunist. Den Namen solltet ihr euch

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