On se left you see se Siegessäule: Erlebnisse eines Stadtbilderklärers (German Edition)
ein Schnitzel, und du wirst sehen, was die Welt alles zu bieten hat.«
»Und wenn ich kotzen muss?«
»Wieso solltest du denn kotzen müssen?«
»Das ist doch bestimmt ganz fad und geschmacklos, das Essen. So ohne viele Gewürze und nur mit Salz.«
»So essen die Deutschen nun mal. Aber das ist eine ganz neue Erfahrung. Es gibt halt noch mehr auf der Welt als immer nur Chicken Curry. Das musst auch du mal einsehen.«
»Dann streu ich mir ein bisschen Cumin drüber.«
»Oh Mann, ey! Siehste, genau das meine ich. Alles muss ganz genau so sein, wie wir es gewohnt sind. Bloß nichts Neues, bloß nichts Fremdes und immer schön das Masala in der Tasche, damit alles so schmeckt wie zu Hause.«
»Reg dich doch nicht so auf!«
»Das ist ja wieder typisch indisch! Nix sehen, nix hören, nix sagen. Und wir sind die Größten, ja? Diese indische Arroganz geht mir echt auf den Nerv.«
»Ja, Entschuldigung! Tut mir leid, dass ich als Inderin auf die Welt gekommen bin. Tut mir echt leid.«
»Also, gehen wir jetzt auf das Schiff? Willst du hier ein bisschen Kultur kennenlernen, oder soll ich dich lieber ins nächste indische Restaurant schicken, damit du dein Chicken Curry kriegst? Da hast du es so, wie du es gewohnt bist. Kannst in deinem indischen Schneckenhaus bleiben.«
»Ist ja gut.«
»Und Mangolassi saufen, bis du gelb wirst.«
»Ich geh ja schon.«
Sie wackelten sehr schlecht gelaunt aufs Schiff.
Klaus schaute ihnen hinterher.
»Kiek dir die Inderinnen an! Können die nicht was Anständiges anziehen, wenn die hier zu Gast sind? Am Ende kommen die hier im Kartoffelsack angelatscht. Mir reichen ja schon die Typen mit den abrasierten Haaren auf einer Seite.«
»Ach, lass sie doch«, sagte ich. »Stell dir vor, die würden hier im Dirndl auftauchen. Das fändest du auch nicht toll.«
»War doch nurn Spruch«, sagte Klaus. »Weißte, die Asiaten sind mir fast am liebsten. Die haben nicht dieses deutsche Ding von wegen: Oh, ich will euch alle verstehen, ach, ich bin ja gar kein Tourist. Die sind, wie sie sind, und finden das gut. Die sind Touristen und stehen dazu.«
»Meinst du?«, fragte ich. »Aber das kann man doch nicht so verallgemeinern.«
Keen Service
D auernd erzählte ich den Touristen von historischen Gebäuden, von denen ich einige aber selbst noch nie betreten hatte, und so hatte ich mir vorgenommen, mindestens einmal in der Woche mir selbst Nachhilfeunterricht zu geben. Ich führte ein kleines Oktavheft, in das ich die wichtigsten Daten der Gebäude eintrug, nebst ihrer Besonderheiten. Bereits vermerkt waren:
Marienkirche: Totentanz, Fresko aus dem 15. Jahrhundert
Marstall: Reliefdarstellungen der Novemberrevolution, 1988
Und seit Kurzem stand darin auch: Tiergarten: Da war ja gar nichts .
Diesmal stand die Hedwigskathedrale auf der Liste. Hauptkirche der paar Berliner Katholiken, 18. Jahrhundert, blabla, Vorbild war das Pantheon in Rom, ezeddera, im Krieg _______ und danach _______ . Is klar, ne.
In Berlin ist einiges andersherum als woanders. Das Tragen eines Anzuges bringt einem nicht Respekt ein, sondern schiefe Blicke. Oberlippenbärte gelten in einigen Milieus als erfrischende modische Neuerung, und Ort der kirchlichen Pracht sind nicht die katholischen Kirchen, sondern der protestantische Berliner Dom. Die Hedwigskathedrale versprüht eher den kargen IKEA -Charme einer evangelischen Neubauviertelkirche der Sechzigerjahre. Bomber-Harris war der SED um ein paar Jahre voraus und hatte schon 1943 per Brandbombe für eine innenarchitektonische Säkularisierung gesorgt. In den Bischofskirchen von Köln, Regensburg oder Massa Marittima konnte man Stunden zubringen. Die Hedwigskathedrale dagegen ist schnell erklärt. Man wirft einen Blick hinein, denkt »Aha, verstanden!« und kann wieder gehen.
Ich machte einmal die Runde, um vielleicht doch noch eine Nische mit einem einbalsamierten Bischof im Glaskasten, einem Steißbeinknochen eines Heiligen oder einer mit einer Bibelszene bemalten Holztafel eines Brandenburger Künstlers des 14. Jahrhunderts zu entdecken. Am Beichtstuhl brannte Licht, und die Vorhänge waren zugezogen. Do not enter! Absolution in progress! Ein donnernder Sternburgbass drang heraus.
»Na ja, dit war halt schwierig. Zu dem Zeitpunkt hatten wir ja schon den Termin in der Abtreibungsklinik. Und da wollt ich dann auch nicht wieder absagen. Wär für die Klinik ja auch doof gewesen.«
Aha.
Außer mir war nur noch ein altes Mütterchen in der Kirche, das schon seit Minuten
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