On se left you see se Siegessäule: Erlebnisse eines Stadtbilderklärers (German Edition)
echt nicht, was da gehen soll.«
»Ich kann mit dir jetzt kein Berufsberatungsgespräch führen. Du hast doch sicher noch andere Pläne. Oder wolltest du dein Leben lang Stadtbilderklärer bleiben?«
»Äh … Ich weiß nicht … Ich meine, ich könnte schon irgend so einen Kram machen, aber …«
»Ich kann natürlich auch mal bei den Kollegen hier in der Reederei nachfragen. Die brauchen immer mal einen Praktikanten für alles Mögliche. Im Marketing. Oder für die Gestaltung der neuen Broschüren. Oder so Einpflegearbeit. Kannst du Photoshop?«
»Joa … Also, ich war auch schon mal Schweinehälftenfreisteller …«
»Das wäre dann allerdings nicht so gut bezahlt wie der Stadtbilderklärerjob. Und ein abgeschlossenes Studium ist die Grundvoraussetzung, aber das hast du ja. Kriegst natürlich am Ende auch ein Zeugnis.«
»Ach …«
»Ich kann dir da aber nichts versprechen. Das entscheidet der jeweilige Abteilungsleiter. Die haben bestimmt auch eine Reihe anderer Bewerber.«
»Pfff …«
»Na, meld dich einfach, wenn du da noch was machen willst.«
»Hm.«
»Sorry nochmal. Ich find das auch doof.«
»Hm.«
»Bis bald. Tschüss.«
»Tschüss.«
The Dining Dead
Are we those bored couples
you feel sorry for in restaurants?
Are we the dining dead?
Charlie Kaufman
Hans hatte recht. Ich hätte nicht ewig Stadtbilderklärer bleiben können. Ich wollte aber auch nicht Junior Assistant of High Level Brown Nosing werden und wie der Rest des Vereins entweder der chronischen schlechten Laune anheimfallen oder über nichts anderes mehr reden als meine Arbeit und meine doofen Kollegen.
Ich hatte allerdings auch kein großes Projekt, das mir einen höheren Sinn gestiftet und erlaubt hätte, keiner regelmäßigen Arbeit nachzugehen. Ich wollte nicht Deutschlands nächster umjubelter Installationskünstler werden, nicht alle Achttausender ohne Sauerstoffmaske besteigen, nicht gegen eine schlimme Ungerechtigkeit kämpfen (böse sexistische deutsche Sprache oder fehlender Krötentunnel unter der B46) und nicht die Welt verändern. Ich wollte einfach nur mehr Spaß als Frust haben und meinen einfachen Leidenschaften nachgehen: etwas Musik, etwas Bier, ein paar Menschen kennenlernen und mit klugen Freunden dummes Zeug schwätzen. Eben ein glücklicher Mensch werden. Als Stadtbilderklärer konnte ich das mit den Menschen und das mit dem Geschwätz schon während der Arbeit tun, wenigstens zum Teil.
Und jetzt? Ich hatte doch studiert. Sollte ich mit meinem Magister Artium historiae nun Currywurstbrater werden? Wie sähe das denn aus? »Pommes kommt gleich, darf ich Ihnen in der Zwischenzeit ein bisschen was über preußische Außenpolitik vor 1871 erzählen?« Dann hätte ich die Jahre auf der Uni umsonst verbracht. Wenn ein Jahr Currywurstbrater in deinem Lebenslauf steht, kannst du auch gleich reinschreiben » … verbüßte ich eine Haftstrafe wegen gefährlicher Körperverletzung an meinem früheren Vorgesetzten«.
Vielleicht hatten Anna und Roland doch recht, und ich sollte endlich mal lernen, wie arbeiten geht. Von meiner Zivildienstzeit abgesehen hatte ich nie eine richtige Arbeit gehabt, die mich montags bis freitags von 9:00 bis 17:00 Uhr an dieselbe Arbeitsstelle gezwungen hätte. Als Stadtbilderklärer arbeitete ich drei, maximal vier Tage in der Woche, und das Geld reichte, um weiter so zu leben wie bisher. Aber sollte ich das Studentenleben nicht langsam hinter mir lassen? Irgendwann muss ich vielleicht doch aus dem Alter herauskommen, in dem man sich abends in der Kneipe entscheiden musste, ob man noch ein Bier trank und schwarz nach Hause fuhr oder kein Bier mehr trank und ein Ticket löste.
Früher waren mir diese Langzeitrumhänger verdächtig gewesen. Mit Anfang zwanzig hatte ich nach einem WG -Zimmer gesucht und in vielen Wohnküchen viele Vorstellungsrunden aushalten müssen. Wenn dort dann ein Dreißigjähriger gesessen hatte, der sich mir als »der Norbert« vorstellte und sagte »Ich wohne hier schon seit acht Jahren«, dachte ich oft: Du armer Wicht! Na? Grundstudium schon fertig? Und die Gesellschaft ist schuld, dass du nix auf die Reihe bekommst, was? Oder bist du »eigentlich Künstler« und stehst kurz vor dem großen Durchbruch? Jetzt ging ich selbst stramm auf die dreißig zu.
Das Schlimme am geregelten Job wäre ja gar nicht das Arbeiten selbst gewesen. Das Schlimme wäre es, so zu werden wie der Durchschnittstyp, den ich täglich in hundertfacher Ausfertigung auf dem Schiff zu
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