On se left you see se Siegessäule: Erlebnisse eines Stadtbilderklärers (German Edition)
Ansagerwinkel
Mit ersterbender Stimme: »Karl Friedrich Schinkel.«
Nichts hält ihn auf, nicht Hagel noch Welle,
Und noch zwanzig Minuten zur Anlegestelle.
Lob und Extratrinkgeld wären mir sicher. Mit nassen Haaren und durchweichten Klamotten stünde ich kerzengerade am Ausgang, die Hände an der Hosennaht. Die Stalingradrentner würden mir auf die Schulter klopfen, mich fragen, wo ich gedient hätte, würden beteuern, dass man das von meiner Generation ja gar nicht mehr kenne und dass es mehr von meiner Sorte geben müsse. Ich würde etwas von »Selbstverständlichkeit« und »Pflichterfüllung« und »Hätte doch jeder getan« murmeln, würde trotzdem dankend Trinkgeld annehmen und mit jedem »Dankeschön« die Hacken zusammenschlagen. Da würde es in den Augen der Rentner leuchten.
Aber noch gewitterte es nicht. Der Wind blies stark, und ab und zu fielen ein paar Tropfen vom Himmel. Wir fuhren den ganzen Weg vom Tiergarten zurück zur Anlegestelle am Palast der Republik, es blies und böte, die Bäume bogen sich, aber es fiel so gut wie kein Regen und gar kein Hagel. Schade. Vielleicht sollte ich kurz in die Spree springen, um meinen Einsatz zu demonstrieren.
Als wir wieder anlegten und ich unter Deck ging, blickte ich in fünfzig sehr ernste Gesichter. Eng an eng stand Mensch an Mensch. Ungefähr zwanzig hatten noch einen Sitzplatz bekommen, der Rest musste stehen. Die Luft war schlecht, und es roch wie in der Umkleidekabine eines Thermalbades mit Solequelle.
»Sagen Sie mal, junger Mann«, fing ein Herr an, dem man ansehen konnte, dass er Widerspruch nicht gewohnt war. »Finden Sie das komisch, uns hier eine Stunde lang unter Deck eingepfercht zu halten?«
»Entschuldigung«, sagte ich. »Wir hatten eine Gewitterwarnung. Da muss ich alle vom Oberdeck schicken. Das ist leider so.«
Das schien ihm egal zu sein.
»Es hat aber nicht gewittert. Wir hätten schön oben sitzen bleiben und uns alles ansehen können. Stattdessen müssen wir uns hier unten hineinquetschen.«
»Und Sie selber bleiben auch noch oben sitzen«, sagte eine sehr aufgeregt Frau. »Wir haben hier langsam den Eindruck, Sie wollen uns ärgern.«
»Und dann immer noch Ihre Ansagen«, mischte sich jemand ein. »Wenn Sie wenigstens mit dieser nervtötenden Quasselei aufgehört hätten, über Sachen, die wir ja sowieso nicht sehen können.«
Ein paar Rentner stimmten in einen Chor von »Ganz genau«, »So isses« und »Das war das Allerschlimmste« ein.
»Entschuldigen Sie bitte!«, versuchte ich es wieder. »Wir waren sicher, dass es gewittert und hagelt. Die Kollegen in Spandau haben uns angerufen und gewarnt: Da sind Hagelkörner groß wie Haselnüsse heruntergekommen. Da kann ich doch niemanden auf dem Oberdeck sitzen lassen.«
»Sind Sie schwer von Begriff? Es hat nicht gewittert. Sind Sie Stadtführer oder Meteorologe? Kümmern Sie sich um Ihren eigenen Kram, und tun Sie nicht so, als verstünden Sie was vom Wetter.«
»Hören Sie! Es tut mir wirklich leid, dass es nicht gewittert hat. Ich hätte es auch besser gefunden, wenn es gehagelt hätte. Ich hätte doch meine Pflicht erfüllt. Ich hätte doch … Einsatz und… hier, dings … Opfer. Das ist nämlich gar nicht so einfach als Stadtbilderklärer.«
Der Älteste der Runde schaute mich mit Offiziersblick an:
»Jungchen, wie alt biste denn? Haste denn schon mal ein richtiges Gewitter erlebt? Dir sollte man mal richtig links und rechts –«
»Leuten wie Ihnen sollte man die Lizenz entziehen«, unterbrach die aufgeregte Frau wieder.
»Was denn für eine Lizenz?«
»Na, die Stadtführerlizenz. So etwas werden Sie doch haben. Jetzt sagen Sie mir nicht, dass Sie hier ohne Zulassung arbeiten.«
»Es tut mir leid, dass es nicht gehagelt hat. Wirklich! Aber ich kann doch auch nichts dafür, wenn es nicht hagelt.«
»Man sollte nicht von etwas reden, von dem man keine Ahnung hat«, sagte der Offizier, stampfte mit seinem Gehstock auf den Boden und drehte sich um.
»Wir werden uns auf jeden Fall über Sie beschweren«, sagte eine Kräuterhexe. Damit drehten sie sich um und wackelten langsam von Bord.
»Vielen Dank fürs Zuhören. Empfehlen Sie uns weiter«, rief ich ihnen hinterher. »Ich habe gerne für Sie in Wind und Regen gesessen. Hab doch nur meine Pflicht erfüllt. Hätte doch jeder getan.«
»Unverschämtheit«, brabbelten einige vor sich hin. »Unmöglich … diese Generation … Früher hätte man den … muss man sich bieten lassen …«
»Vielen Dank fürs
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