On se left you see se Siegessäule: Erlebnisse eines Stadtbilderklärers (German Edition)
in die Nase und gab Spiegel und Röhrchen an Lemmy weiter.
Draußen fuhr eine Horde Mittelschichtshedonisten auf einem Bierbike. Sie grölten laut, als unsere Limousine sie überholte.
»What the hell is this?«, fragte der Bodyguard.
»It’s a bar on wheels«, sagte ich. »It’s like a bike for ten people and it’s got a tap in the middle. You sit there pedaling and have a beer.«
»Crazy shit!«, sagte er. »What do you Germans invent next? Drinking beer while bungee jumping?«
»Aaahahaharrr!«, grunzte Lemmy und wischte sich die Kokskrümel aus dem Bart.
Wir kamen am Potsdamer Platz an, der Wagen hielt vor der Spielbank. Hätte ich mir ja auch denken können. Vier besoffene Typen in abgerissenen Straßenklamotten wollen ins Casino, und einer der Typen ist Lemmy Kilmister. Wie das enden würde, wusste ich schon. Am Eingang würde uns ein Concierge mit spitzfreundlichen Sätzen zurückweisen:
»Ich halte es für besser, wenn die Herrschaften gleich wieder verschwinden.«
»Entschuldigung, aber wir sind mit Lemmy Kilmister hier, den kennen Sie doch bestimmt. Ist ein VIP .«
»Ach was! Wer VIP ist, bestimme immer noch ich. Und Sie verlassen jetzt das Gebäude, sonst müssen wir Ihnen raushelfen.«
»Is there a problem?«, sagt der Bodyguard. »This is Lemmy Kilmister, we are his friends and we’re gonna get in there and play some Black Jack now. Try and stop us.«
»Sicherheitsdienst zum Eingang!«, spricht der Concierge ins Revers seines weinroten Zweireihers, und schon kommen zwei Lichtenberger Stiernacken in Uniform durch die Tür. Jetzt gibt es hier Ärger. Ohne lange Erwägungen greift der Bodyguard einen der Rausschmeißer am Kragen und holt aus. Zwei Minuten später ist der Boden voller Blut.
Das alles passierte natürlich nicht.
»Mister Kilmister«, rief der Concierge hocherfreut, als wir zur Tür hereinkamen. »We are glad to have you here again. How are you, Sir? Still on tour with Motörhead?«
»Naa«, hustete Lemmy. »I’m not with Motörhead anymore. I’m playing the harmonica in Justin Bieber’s band now. Harharhar!«
»What a delightful joke!«, schleimte der Concierge. »May I help your friends to a jacket? I’m sure we’ll find something suitable.«
Wenn man so viel Geld im Casino gelassen hat wie Lemmy, wird man an der Tür nicht abgewiesen, sondern eingekleidet. Lemmys Uniformjacke zählte als Jackettersatz, der Rest bekam Hemden und schlechtsitzende Leihsakkos verpasst.
Wir traten durch die Tür, und Lemmy ging stramm auf die Automaten zu. Als er sich setzte, tauchte sofort ein Kellner auf und stellte ihm einen Aschenbecher hin. Lemmy bestellte Bier für alle und Münzen für hundert Euro, kramte aber schon mal etwas Kleingeld aus seinen Taschen und fing an zu spielen.
»Do you know how these things work?«, fragte Karl.
»Kind of«, sagte Lemmy.
»Is there a system to it?«
»Dunno.«
»What do you have to do? How does it work?«
»Just press the buttons.«
Er war im Spielmodus. Do not disturb.
Der Bodyguard zog einen Joint aus der Jackentasche und zündete ihn an. Wenn man so viel Geld wie Lemmy im Casino gelassen hatte, durfte man da auch kiffen. Ob sie ihm später auch einen Eimer hinstellten, damit er nicht aufs Klo gehen musste?
Der Joint ging rum, das Bier ging runter. Karl und ich zuckten die Achseln.
»Ich geh mal zum Black Jack«, sagte er.
»Und ich geh mal zum Roulette.«
Die Roulettetische befanden sich in einem abgetrennten Bereich, für den man noch extra Eintritt zahlen musste. Zwar hieß es Casino Royal, aber das Jackettgebot wurde hier anscheinend doch nicht so streng ausgelegt, wie ich es zu Beginn vermutet hatte.
Ein Weddinger Styletürke trug einfach eine Kunstlederjacke, die einen ähnlichen Schnitt wie ein Jackett hatte. Ein bärtiger, dünner Mann, Typ spielsüchtiger Lehrer, trug offensichtlich den Konfirmationsanzug seines Sohnes und lief den ganzen Abend mit verdrehter Krawatte herum, ohne es zu bemerken.
Hier wurde es ernst. Asiaten saßen am Roulettetisch und verteilten Jetons, als spielten sie um ihr Leben. Hektische Schwerstspieler notierten jede geworfene Zahl und setzten dann plötzlich einen vierstelligen Betrag. Am Tisch mit Mindesteinsatz zehn Euro saß ein arabischer Großkrimineller mit Riesenschnauzbart, der die Croupiers duzte und mit der Faust auf den Tisch donnerte, wenn er verlor. Ein dreißigjähriger Gesichtswichser, Typ Architekt oder Kunstmanager, vielleicht aber auch Erbe einer Industriellenfamilie, ließ
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