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On se left you see se Siegessäule: Erlebnisse eines Stadtbilderklärers (German Edition)

On se left you see se Siegessäule: Erlebnisse eines Stadtbilderklärers (German Edition)

Titel: On se left you see se Siegessäule: Erlebnisse eines Stadtbilderklärers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Birr
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sich für zehntausend Euro Jetons in einem Zähler bringen. Achtzehnjährige Mädchen im Abiballkleid schnatterten und kicherten hinter ihren Caipirinhas und wurden vom Croupier angebasst: »Mal bisschen Ruhe hier bitte, der Onkel muss arbeiten!«
    Ab und zu ist auch mal was egal, dachte ich. Wenn ich hier schon unterwegs bin, spiele ich auch. Die Casinobetreiber waren kaufmännisch so geschickt, dass sie im Casino Royal einen Geldautomaten hatten aufstellen lassen, an dem ich mir fünfzig Euro zog. Zwanzig hatte ich noch in der Tasche. Ich tauschte alles gegen kleine Jetons, spielte ein bisschen einfache Chancen und hatte nach einer halben Stunde schon fünfzig Euro gewonnen, mit denen ich die mehrfachen Chancen spielte. Um mich herum bellten die Profispieler ihre Ansagen und die Croupiers ihre Antworten:
    »Sechzehn, zwei, zwei und Transversale vierunddreißig-sechsunddreißig.«
    »Fünfzig auf Zerospiel.«
    »Wem gehört dieser?«
    »Louis auf Carré sieben-elf.«
    »Stück für Sie.«
    »Danke für die Angestellten!«
    »Die Hand wechselt.«
    »Alles bezahlt, bitte das Spiel zu machen.«
    Ein Stuhl wurde frei, und ich setzte mich zwischen eine ältere Dame und einen Chinesen, der Chips setzte, als hätte man ihm gesagt, es sei gut für die Potenz.
    Ich setzte, als verstünde ich, was ich da tat. Die Kugel rollte. Klackerdiklack . Achtung!
    »Achtundzwanzig, noir, pair, passe.«
    Verdammt.
    Warten. Setzen. Kugelrollen. Klackerdiklack .
    »Vierzehn, rouge, pair, manque.«
    Yeah, vierzig Euro! Ausatmen.
    Warten. Setzen. Kugelrollen. Klackerdiklack .
    »Achtzehn, rouge, pair, manque.«
    Ach Scheiße, verfluchte!
    Aufregung, setzen, nachdenken und Bier trinken. Wofür brauchte Lemmy eigentlich Koks? Das war hier doch schon aufreibend genug.
    Nach einer halben Stunde lehnte ich mich zurück und atmete durch. Die Ecke des Raumes drehte sich. Ich hätte nicht die ganze Zeit in den Kessel starren sollen. Als ich vom Tisch aufstand, machte die Welt einen Ruck. Das war nicht gesund.
    Ich ging wieder zu Lemmy und dem Bodyguard. Sie saßen immer noch schweigend an den Automaten, rauchten eine nach der anderen und kippten Jack and Coke in sich hinein. Was sollte an einem Spiel Spaß machen, das quasi von alleine lief und man selbst nur zugucken durfte. Wo war hier die Interaktion?
    Karl kam mir entgegen.
    »Hey, ich hab gerade hundert Euro beim Black Jack gewonnen. Komm, wir trinken einen.«
    »Karl, ich hab schon ziemlich … Also, ich kann eigentlich nichts mehr …«
    »Och kooomm«, sagte er. »Einen kleinen.«
    »Aber nur einen Schnaps«, sagte ich.
    Wir bestellten zwei Wodka und stießen an. Karl kam ins Reden.
    »Weißte … könnte mir auch gefallen … Berlin oder Hamburg … bald mal eine Auszeit nehmen … oder Thüringen … Freundin endlich fertigstudiert hat, mit dem Triumph … kann ich mich ja zur Not mit Glücksspiel durchschlagen, hahaha.«
    Wovon redete er?
    »Hrrrl«, sagte ich, wenn er kurz innehielt und mich ansah.
    »Und sowieso … warum soll ich denn … hat doch schließlich immer … mir da zum Glück keine Gedanken … kann ich ja immer noch.«
    »Hrrrl.«
    »Hach, ist das schön«, sagte er schließlich. »Das ist doch toll, oder? Ich bin gerade sehr zufrieden.«
    »Hrrrl«, sagte ich mit nur noch halboffenen Augen.
    »Hey, geht’s dir gut?«
    »Ich muss gehen.«
    Ich konnte kaum noch reden. Ich muss nach Hause, dachte ich. Aber ich muss Lemmy noch tschüss sagen. Das gehört sich nicht, einfach so zu gehen.
    Meine Beine mussten Gehbewegungen gemacht haben, denn der Automat, hinter dem Lemmy saß, kam immer näher. Bumm! Jetzt war ich dagegengelaufen.
    Lemmy brabbelte etwas, das ich nicht verstand.
    »Lemmy, I’m leavin’. It wassa pleasure to meetchou. Thags very buch.«
    Lemmy antwortete irgendetwas und sah mich an. War das eine Frage? Sollte ich antworten?
    »I’m leavin’«, sagte ich wieder. »Thanks for spenning se night vis us.«
    Lemmy hob eine Hand. Was jetzt? Handschütteln? Winken? Umarmen? Ich machte einen Schritt auf ihn zu, rutschte aus und riss im Fallen seinen Becher mit den Euromünzen mit. Sie kullerten über den Boden, ich lag neben dem Automaten auf dem Teppich.
    »Whahabba dadey«, sagte Lemmy, der über mir stand.
    Hä?
    »Whahabba hoho fohou-seddetäng, knowhamsayin?«
    Komischer alter Brite, was faselst du denn da?
    Ich rappelte mich wieder hoch. Lemmy streckte mir eine Faust waagerecht entgegen. Was sollte denn das jetzt wieder? Ach so, dagegenhauen.
    Bumm.
    Danke,

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