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On se left you see se Siegessäule: Erlebnisse eines Stadtbilderklärers (German Edition)

On se left you see se Siegessäule: Erlebnisse eines Stadtbilderklärers (German Edition)

Titel: On se left you see se Siegessäule: Erlebnisse eines Stadtbilderklärers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Birr
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aufgedonnerte Mitteschnitten mit Sonnenbrillen in den Haaren, Glitzer im Gesicht und Stiefel bis unters Knie kamen in den Laden gehühnert und begrüßten einen der tätowierten Kellner mit Küsschen. Was soll das? Sind wir hier in München? Sie stellten sich an die Bar und bekamen sofort vier Gläser Sekt serviert. Rock ’n’ Roll sieht anders aus. Einst war ich in einer Frankfurter Stehkneipe für das Bestellen einer Cola fast mit Hausverbot belegt worden: »Tuntenwasser gibts hier net! Du trinkst Bier, Arschloch!«
    An einem Tisch saß einer der Söhne von Uwe Ochsenknecht mit diesem beknackten Vornamen und unterhielt sich mit anderen, hässlichen Menschen.
    Lemmy und Karl spielten nun zusammen Flipper, Lemmy am rechten Knopf, Karl am linken.
    Anna kam mit einem Tablett Bier vorbei und stellte mir eines vor die Nase.
    »Da! Beste Empfehlungen vom Haus.«
    »Oh, danke! Sag mal, was macht denn Lemmy bei euch?«
    »Ach, der kommt ab und zu her, wenn er in Europa spielt und ein paar Tage frei hat. Ist ein großer Berlinfan.«
    »Und ihr seid so eng miteinander?«
    »Na ja, was heißt eng? Du kennst mich doch. Wenn hier jemand öfter kommt, dann kann ich an dem ja nicht einfach vorbeigehen.«
    Das stimmte. Mit Anna konnte man schnell warm werden. Sobald sie jemanden öfter als drei Mal gesehen hatte, wurde er zu Begrüßung und Abschied umarmt. Gegen die Krankheit der Großstadt, die vorauseilende Unfreundlichkeit, schien sie immun zu sein.
    Wenn man sie aber länger oder besser kannte, lag die Sache anscheinend anders. Über alles, was sie mehr beschäftigte als eine seichte Partybekanntschaft, schien sie ungern zu reden, siehe die Marcos und Flos. Kneipenstorys oder Sexunfälle: kein Problem. Aber vor ihrem Gefühlsreaktor standen ein »No Trespassing«-Schild, zwei schwerbewaffnete Wächter mit dem steinharten Blick russischer Söldner und vier Pitbulls. Was dahinter passierte, war Firmengeheimnis. Mich ging es ja im Prinzip nichts an. Dass aber auch diejenigen, die es sehr viel anging, an Annas Hochsicherheitszaun scheiterten, machte mich stutzig. Nun gut, solange sie mich noch leiden konnte, war ich zufrieden. Außerdem wollte ich ja nicht mehr, als nett mit ihr zusammenwohnen.
    Lemmy war zwar kein ganz so herzlicher Typ, aber sicher jemand, der sich in Gesellschaft besser fühlte als alleine. Alle Kneipenbesitzer, Techniker oder Konzertveranstalter, die irgendwann mal irgendetwas mit Lemmy zu tun gehabt hatten, erzählten die gleichen Geschichten: Lemmy war da, wir haben noch gesoffen und Billard gespielt. Einzige Abweichung: Manchmal war es Dart oder Kicker. Nie hatte ich von irgendjemandem gehört: »Ja, dieser Kilmister war auch da. Der wollte aber mit niemandem reden und ist dann auch ziemlich schnell wieder ins Hotel zurück.« Wenn Lemmy sich absetzt, dann nur ins Casino oder in den Puff.
    Als ich das Bier ausgetrunken hatte, ging ich wieder zu Karl und Lemmy an den Flipperautomaten. Anscheinend waren sie gerade in eine Diskussion vertieft.
    »Naah«, sagte Lemmy. »That Bakunin guy was just another crazy bastard. He thought he knew the truth. Nobody knows what the truth actually is. And nobody needs that crazy theoretical shit. That’s not what anarchism is about.«
    Lemmy sah mich an.
    »Now guys, do you want to go for a ride? I have a car waiting outside.«
    Das lehnt man nicht ab. Wir verabschiedeten uns von Anna, die uns viel Spaß wünschte.
    Vor der Tür stiegen wir in eine weiße Stretchlimousine, in der bereits ein blonder, langhaariger Bodybuildertyp saß, der sich uns als Michael vorstellte. Manager, Drogenbeschaffer oder Bodyguard, keine Ahnung.
    »Go«, bellte Lemmy dem Fahrer zu.
    »Where are we going?«, fragte ich.
    »We’re going to the Arbeitsamt. You should get a job, you lousy, stinking, useless bum. Harharhar!«
    »I have a job. I’m a tour guide.«
    »That’s not a job, that’s a punishment. Why do you do that? Got busted with dope? Community service?«
    »You got to have a job. I have to pay my rent.«
    »Look at me, I never had a job in my whole life.«
    »And you never paid rent?«
    »Right! I always left town before the landlord could get me.«
    Der Bodyguard drückte uns Gläser in die Hand und schenkte uns ein. Noch mehr Whiskey? Karl verteilte Zigaretten. Der Bodyguard legte sich ein Tablett auf den Schoß und begann, auf einem Spiegel Lines zu legen.
    »Now, who wants some?«
    Karl und ich lehnten höflich ab.
    »Never mind«, sagte der Bodyguard, zog sich die erste Line

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