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On se left you see se Siegessäule: Erlebnisse eines Stadtbilderklärers (German Edition)

On se left you see se Siegessäule: Erlebnisse eines Stadtbilderklärers (German Edition)

Titel: On se left you see se Siegessäule: Erlebnisse eines Stadtbilderklärers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Birr
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über vierzig war und ich niemanden sah, den ich für typisches Swingerclubpublikum gehalten hätte: verbrauchte Unterschichtsfrauen mit falschen Wimpern und lila Fingernägeln, schnauzbärtige Bankberater- oder Fernfahrertypen mit bouillonfarbener Wellenfrisur, Männer, die außerhalb des Clubs ihr Handy in einer Gürteltasche tragen würden, und ganz allgemein Midlifecrisisgestalten.
    Die Musik hatte mittlerweile gewechselt. In der Ecke stand ein DJ hinter seinem Pult, ein paar Leute schüttelten sich auf der Tanzfläche zu allgemeinverträglichen Evergreens: Iggy Pop, Aretha Franklin, Green Day. Derselbe DJ hätte auch auf einer Institutsparty der Anglisten auflegen können.
    Ich drehte mich wieder zur Bar, nahm drei Schlucke von meinem Bier und drehte noch eine Zigarette. Was machte ich jetzt? Mitmachen? Gehen? Den Leuten erzählen, dass ich ein Nagelstudio betrieb? Das könnten sie falsch verstehen. Wenn im Filmstudio gefilmt wird …
    Die Musik wurde leiser, und Maite stellte sich auf einen Couchtisch:
    »Hallo! Alle mal herhören!«
    Ach, jetzt kam das: Liebe Freunde, schön, dass ihr da seid und mit uns feiert. Besonders begrüßen wir die Neuen in unserem Kreis. Fühlt euch einfach ganz locker. Auch wenn es immer noch gesellschaftliche Zwänge gibt, die uns verbieten wollen blablabla undsoweiter.
    »In der großen Sauna ist in zehn Minuten Aufguss«, rief sie. »Wer mit rein will, sollte sich jetzt schon mal umziehen.«
    Sofort stand ein Drittel der Leute auf und ging in den hinteren Bereich. Der DJ spielte »It’s getting hot in here«. Aha, ein Witzbold. Ob auf der Spielwiese Jon Lajoies »Show me your genitals« lief?
    In den nächsten Minuten leerte sich der Barraum, bis nur noch knapp zehn Leute dort saßen. Eine Gruppe Frauen, die anscheinend auch nicht geahnt hatten, was für eine Art Club und Party hier auf sie wartete, ein Pärchen, das darüber diskutierte, ob sie jetzt auch zum Aufguss gehen sollten oder besser doch nicht, und ein schlechtgelaunter Typ. Er saß nach vorne gebeugt auf einem Sofa, runzelte die Stirn, fuhr sich ständig durchs Haar und rieb sich an der Nase. Unten trug er eine Flanellhose und oben nur die Hosenträger dazu. Kurz blickte er auf.
    Martin. Das war Martin.
    Na komm, Tilminger, du willst ja auch kein Spielverderber sein. Jetzt gehst du da mal hin und sagst hallo. Sind doch alle ganz locker hier. Ist doch ganz normal. Und der Martin freut sich bestimmt, dich zu sehen.
    Ich ließ mein Bier an der Bar stehen und ging zu ihm hinüber.
    »Martin?«
    Er guckte zu mir hoch, als hätte ich »Guten Tag, Polizei« gesagt.
    »Hey, was machst du denn hier?«, sagte ich.
    »Ich? Äh … ja, was mach ich hier?«
    Dämliche Frage. Na, auch in der Etage?
    »Kennst du Maite?«
    »Klar«, sagte er und rieb sich wieder an der Nase.
    »Ist ja lustig. Ich kenne sie ja eigentlich nur flüchtig aus der Uni. Ich dachte, ich gehe hier einfach auf eine Geburtstagsfeier, und dann lande ich einfach so in einem Swingerclub.«
    »Und?«, sagte er.
    »Na ja, ich wäre ja sonst nie hierhergegangen. Ich kenne Maite ja auch nicht so gut. Und dass ich dann dich noch hier treffe! Ist ja echt lustig.«
    »Wieso?«, fragte er. Er redete mit mir, als ob ich ihn in einer wichtigen Unterhaltung stören würde, obwohl er alleine auf dem Sofa saß.
    »Ach, ich dachte, Swingerclubs sind was für dicke Männer, die in ihrer Jugend was verpasst haben und jetzt glauben, sich auspeitschen lassen zu müssen.«
    »Hast du ein Problem, dass ich hier bin?«, fragte er.
    »Naiiin, überhaupt nicht«, sagte ich. »Es gibt ja auch so viele Probleme … äh, Dings … so viele Menschen, die Probleme mit ihrer Sexualität haben und so. Und da entstehen dann ganz viele andere Probleme draus, ne. Ist doch super, wenn es auch Leute gibt, die wissen, dass das nix Schlimmes ist. Wenn das ein Teil deiner Sexualität ist, dann solltest du dich da auch nicht einschränken lassen. Oder? Also, find ich.«
    »Hä?«, sagte er.
    »Auch wenn das immer noch so ein gesellschaftliches Tabuthema ist. Aber wir kämpfen dagegen an.«
    Er guckte mich schweigend an. Vielleicht war das doch keine so gute Idee gewesen.
    Ein Pärchen tauchte neben uns auf.
    »Hey, Martin«, sagte die Frau. »In der Sauna ist es echt viel zu voll. Willst du mit auf die Spielwiese kommen?«
    »Grad nicht, danke«, sagte Martin.
    Sie drehte sich zu mir: »Willst du vielleicht mitkommen?«
    »Äh … Ich weiß nicht … Ich glaube … Also ich …«
    »Ach so, du bist

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