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Ondragon - Menschenhunger

Ondragon - Menschenhunger

Titel: Ondragon - Menschenhunger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strohmeyer Anette
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Pünktlich um fünf Uhr klopfte er an dessen Tür.
    „Ah, Paul, kommen sie rein!“
    „Dr. Arthur, ich möchte mich noch einmal dafür entschuldigen, dass ich unsere Sitzung gestern versäumt habe.“
    Der Psychotherapeut machte ein verständnisvolles Gesicht. „Entschuldigung angenommen. Aber was ist geschehen? Ich habe gehört, dass Sie im Wald gestürzt sind und sich böse den Kopf aufgeschlagen haben.“
    „Ja, das stimmt. Ist aber wieder in Ordnung.“
    „Nun, dann ist es jetzt an mir, Sie um Verzeihung zu bitten, wegen der Unannehmlichkeiten, die Sie hatten. Ich meine die Sache mit dem … nun ja, Hundekopf auf Ihrem Balkon. Ich kann Ihnen versichern, dass ich die Sicherheitsmaßnahmen rund um die Lodge erhöht habe. Es gibt demnächst einen Elektrozaun, der den Bären abhalten soll, das Gelände zu betreten. Außerdem kümmert sich Deputy Hase um die Angelegenheit und er nimmt sie sehr ernst.“
    Ondragon winkte ab. Er war das Thema leid. „Von mir aus können wir jetzt mit der Sitzung beginnen.“
    „Gern.“
    Ondragon nahm auf der Liege Platz, und Dr. Arthur setzte sich auf den Stuhl daneben.
    „Letztes Mal sind wir zu dem Ort zurückgekehrt, an dem Ihre Angst begonnen hat. Ich möchte jetzt, dass wir das wiederholen, um noch weitere Details über das Geschehen sammeln zu können. Wie Sie sich erinnern, war etwas unklar, es schien, als gäbe es da noch eine Person in Ihrer Erinnerung, außer ihrem Vater und Ihrer Mutter. Dem will ich auf den Grund gehen. Und nun entspannen Sie sich, Paul. Nachher können wir über das reden, was bei der Hypnose zu Tage gekommen ist. Denken Sie an die Farbe …“
    Ondragon dachte an das Tannengrün und tauchte augenblicklich in den Zustand ab, den man als ein Schweben in einer diffusen Zwischenwelt beschreiben konnte. Man war nicht im Hier und auch nicht ganz im Dort, man war ein Beobachter aus der Ferne, und doch geschah einem alles selbst und ganz hautnah. Angst hatte er jedoch keine. Er fühlte sich sogar erstaunlich gelöst, als er sich in der Bibliothek seines Vaters stehen sah und den pulsierenden Herzschlag Kairos unter den Füßen spürte, so als sei er leibhaftig dort.

    Als er aus der Hypnose erwachte, konnte er sich an nichts erinnern. Mit Schweiß auf der Stirn setzte er sich auf. „Was …?“
    „Ruhig, Paul. Sehen Sie mich an.“
    Verwirrt wandte Ondragon den Kopf und blickte in die gelben Augen.
    „Sehen Sie mich an! Ich bin Ihr Vater. Was möchten Sie mir sagen?“
    Ondragon spürte, wie er Luft holte. Er sah den zehnjährigen Jungen, der von seinem Vater übertrieben hart bestraft wurde. Wut kochte in ihm hoch, und Tränen brannten in seinen Augen. „Du bist Schuld!“, knurrte er. „ Du bist Schuld, alter Bastard!“
    „Woran bin ich Schuld?“, fragte das Gesicht seines Vaters.
    „An … an …“ Plötzlich drängte sich ein undeutlicher Schemen in sein Blickfeld. Ein Mensch? Wenn ja, wer war es? Oliver Orchid? Pete? Nicht doch, jetzt hatte er es: das Wesen wechselte ständig seine Gesichter. Es schlich durch den Wald, holte mit einem Arm weit aus und … nein, es öffnete sein Maul …
    „Der Mörder, du bist der Mörder“, flüsterte er schließlich.
    „Ich bin ein Mörder?“, fragte das wechselnde Gesicht.
    „J-ja, du hast den Mann draußen im Wald getötet und … und …“
    Es ertönte ein Schnippen, und Ondragon wachte ganz auf. Blinzelnd sah er Dr. Arthur an.
    „Was ist los?“
    Der Psychotherapeut breitete die Arme aus. „Wir waren kurz davor, Ihr Geheimnis zu lüften, doch dann hat Ihr Unterbewusstsein sich schützend davorgeschoben. Das geschieht manchmal, wenn die Erinnerungen zu schmerzhaft sind. Dabei funktioniert das Unterbewusstsein wie ein Polizist, der unerwünschte Reminiszenzen sofort verbietet und ins Verlies sperrt. Ich bin jetzt sicher, dass an jenem Tag in der Bibliothek noch etwas anderes geschehen ist. Etwas, das Sie so stark verdrängen, dass es nicht einmal mit der Hypnose zu erreichen ist. Wir müssen auf anderem Wege versuchen, an den Schlüssel zu gelangen, den Ihr Gedankenpolizist versteckt hält. Mit diesem Schlüssel - das kann ein Wort sein, ein Bild, eine Farbe, ein Geruch, eben alles, was ein Mensch gedanklich verknüpfen kann - mit diesem Schlüssel werden wir Ihre Erinnerungen befreien. Und danach sind Sie bereit, Ihre Angst rational zu verarbeiten, der erste große Schritt im Kampf gegen Ihre Phobie. Eine Frage habe ich allerdings noch. Sprechen Sie eigentlich manchmal mit Ihrem

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