Ondragon - Menschenhunger
tun. Ist doch nicht deine Schuld gewesen.“
„Jaaa … alsoooo“, druckste Pete herum und scharrte mit einem Fuß im Staub des Weges. „Ich glaube, Mr. On Drägn , das ist nicht ganz richtig.“
Ondragon kapierte, dass der Kofferjunge ihm etwas Wichtiges mitteilen wollte. Vorsichtshalber trat er einige Schritte von der Tür des Bootshauses weg. Wenn Kateri da drinnen war, musste sie nicht unbedingt mithören, was Pete ihm zu erzählen gedachte.
Der schlaksige Junge rückte seine Baseballkappe zurecht und sah ihn unsicher an. „Mr. On Drägn , versprechen Sie mir, es für sich zu behalten?“
Ondragon hob eine Hand. „Ich schwöre es!“
„Bei Ihrer Mutter?“
„Bei meiner Mutter!“, sagte er feierlich und dachte: gut, dass Pete nicht verlangt hat, auf den Namen meines Vaters zu schwören.
„Okay. Ich werde Ihnen jetzt verraten, warum ich das Indianer-Netz vom Tatort entfernt habe. Danach werden Sie vielleicht verstehen.“ Er warf einen nervösen Blick über die Schulter. „Das Netz ist von den Ojibway, die hier leben. Ist so ein Abwehrdings.“
„Abwehrmedizin. Das weiß ich bereits. Aber gegen wen oder was soll es helfen?“
Pete leckte sich über die Lippen und flüsterte dann: „Gegen den Wendigo! Und glauben Sie mir, das ist kein Scherz.“
„Und warum hast du es weggenommen?“ Insgeheim hegte Ondragon schon länger eine bestimmte Vermutung, aber er wollte, dass Pete es aussprach.
Der Hillbilly legte eine Hand an den Mund und flüsterte: „Weil ich den Wendigo kenne und ich wollte nicht, dass der Verdacht auf ihn fällt.“
Ondragon nahm Pete beim Oberarm und führte ihn noch weiter vom Bootsahaus weg. Dann sah er dem Jungen fest in die Augen und fragte: „Es ist einer von Dr. Arthurs Patienten, nicht wahr? Und du hast versucht, den Doc zu decken, weil er so freundlich ist und deinen Bruder behandelt und dich hier arbeiten lässt?“
Pete schüttelte langsam den Kopf.
Ondragon war erstaunt. „Ist es einer von den Angestellten?“
Immer noch Kopfschütteln. Zum Teufel, das war ja wie bei einer Quizshow!
Plötzlich dämmerte es ihm und er hätte sich am liebsten selbst in den Nacken gebissen. Wie hatte er nur so blind sein können? Seine Performance ließ allmählich ganz schön zu wünschen übrig. „Es ist Momo“, sagte er, und Pete nickte unglücklich. Verstohlen fuhr der Hillbilly sich über die Augen und wischte eine Träne fort. Dass er sein Geheimnis nun verraten hatte, schien ihn zu erleichtern aber gleichzeitig auch zutiefst zu bekümmern. Kein Wunder, ging es doch um seinen innig geliebten Bruder.
„Willst du damit sagen, dass Momo den Mann im Wald umgebracht hat?“
Pete schüttelte nachdrücklich mit dem Kopf. „Nein das war er nicht! Ganz bestimmt nicht!“
„Nicht? Wer dann? Und was ist mit Rumsfeld?“
Pete zuckte mit den Achseln. „Ich weiß nicht. Aber das mit Rumsfeld war Momo auch nicht. Momo liebt Tiere. Er könnte ihnen nie etwas antun.“
„So? Und was ist jetzt mit Momo? Warum hast du das Netz entfernt, wenn er den Mann nicht umgebracht hat?“
Pete holte tief Luft, als schnüre ihm das schlechte Gewissen den Hals ab. Schließlich flüsterte er so leise, dass Ondragon es kaum verstehen konnte: „Momo … ist der Wendigo.“
„Der Wendigo?“, wiederholte Ondragon ungläubig. Er schüttelte den Kopf. Langsam ging ihm der Hokuspokus dieses Hillbillys mächtig auf die Eier! So kamen sie nicht weiter. Er legte dem aufgelösten Jungen eine Hand auf die Schulter und fragte: „Und woher weißt du, dass er der Wendigo ist?“
„Weil Momo … unsere … na, er hat unsere Eltern getötet!“
Ondragon sah überrascht auf. „Aber das FBI hat den Fall doch untersucht und ein Psychologe hat euch sogar befragt.“
„Wir haben sie beschwindelt.“
Und das hatte offensichtlich funktioniert, ob man es glauben wollte oder nicht. Das FBI war auch nicht mehr das, was es mal war. Ondragon fühlte in seiner Hosentasche nach seinem iPhone. Er wollte Pete die Zeitungsausschnitte zu den Parker-Morden zeigen und ihn dazu befragen, doch seine Finger fanden nur seinen Talisman und eine Packung Kaugummis. Das Handy musste noch immer im Nachtisch liegen, was bedeutete, dass er seit über einen Tag nicht mehr draufgesehen hatte. Plötzlich fiel ihm Charlize ein. Sie hatte doch in Orr nach einer Spur von Jeremy Bates suchen sollen.
„Sie müssen mir helfen, Mr. On Drägn “, flehte Pete indes. „Mein Bruder kann nichts dafür. Der Wendigo hat ihn sich
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