Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ondragon - Menschenhunger

Ondragon - Menschenhunger

Titel: Ondragon - Menschenhunger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strohmeyer Anette
Vom Netzwerk:
nach. Als sie in sicherer Entfernung waren, bückte er sich schnell, riss ein paar Grashalme aus, an denen noch das Blut klebte und steckte sie sich in die Hosentasche. Ein Labor würde feststellen können, ob es sich um menschliches oder tierisches Blut handelte.
    Bevor jemand bemerkte, dass er zurückgeblieben war, schloss Ondragon ans Ende der Kolonne auf. Und während der nächsten anderthalb Stunden, die sie zur Lodge zurückwanderten, malte er sich in seinen fiebrigen Gedanken aus, wie er es dem Deputy heimzahlen würde. Lymes Ring und die Blutproben würden Hase schon davon überzeugen, dass er, Ondragon, nicht ganz verrückt war, und dass dem Makler tatsächlich etwas zugestoßen war. Denn warum sollte Lyme seinen Ring fernab der Lodge in einen Bach werfen?

    Als sie endlich die Lodge erreichten, sprach er mit niemandem ein Wort und stürmte auf direktem Wege in sein Zimmer, um dem Ring zu holen. Er schloss die Tür auf und eilte zu dem Stuhl, auf dem die Hose hing. Seine Finger fuhren in die Tasche, doch sie fanden nichts. Sie durchsuchten die andere Tasche. Auch nichts. Verwirrt blickte Ondragon auf die Hose. Da waren die schwarzen Erdflecken an den Knien, die vom Schlamm des Bachufers stammten. Ja, diese Hose hatte er gestern angehabt, aber wo zum Teufel war der Ring? Alarmiert sah er sich im Zimmer um. Alles war an seinem Platz, genauso, wie er es hinterlassen hatte. Wenn jemand in seinem Zimmer gewesen war, dann war er sehr umsichtig gewesen. Aber wer konnte das gewesen sein? Es wusste doch keiner von dem Ring. Oder doch? Er überlegte. Dr. Arthur hatte er nichts davon erzählt, dafür war er gestern viel zu erschöpft gewesen. Er hatte es schlichtweg vergessen. Und Pete und dem Rest des Suchtrupps hatte er auch nichts davon gesagt, soweit konnte er sich noch entsinnen. Blieb nur noch Kateri. Und sie war schon einmal in sein Zimmer eingedrungen. Aber wann sollte sie es getan haben? Sie war doch bis eben mit im Wald gewesen.
    Zerknirscht verließ er sein Zimmer und gestand dem Deputy, der unten im Eingangsbereich wartete, dass er den Ring nicht finden konnte. Das mitleidige Lächeln, das daraufhin über Hases Gesicht huschte, ließ erneut die Wut in Ondragon hochkochen. Doch bevor er sich die Blöße eines Ausbruchs geben konnte, wandte er sich schnell ab und verschwand wieder auf sein Zimmer. Er musste nachdenken. Wenn das mit diesen infernalischen Kopfschmerzen überhaupt möglich war. Ondragon warf sich aufs Bett. Er fühlte sich wie einmal verspeist, verdaut und wieder ausgekotzt! Und es kam ihm so vor, als verschwämmen die Grenzen zwischen Wahn und Wirklichkeit allmählich zu einem neu erschaffenen, realen Raum. In diesem Raum spazierten die Bäume durch den Wald, als hätten sie Füße statt Wurzeln; mitten unter ihnen stand sein eigenes kindliches Spiegelbild mit dem Schlüssel des Gedankenpolizisten in der Hand, oder war es Per? Ondragon wusste es nicht. In der Ferne lockte die barbusige Kateri als Göttin Diana mit Pfeil und Bogen, und an einem der schwankenden Äste über ihm hing ein gemarterter Harvey Lyme in seinen Gedärmen wie auf einer Schaukel und lachte ihn schallend aus.
    Erschöpft warf Ondragon sich die Arme über das Gesicht und seufzte. Wenn er noch länger hierblieb, würde er am Ende tatsächlich noch verrückt werden. Erst wenn er wieder in der Stadt wäre und den heißen Asphalt unter seinen Füßen spürte, dann würde er sich wieder richtig wohlfühlen. Fast sehnte er sich schon nach dem dichten Verkehr der Rushhour auf dem Olympic Boulevard und der mitleidigen Stimme des Stauansagers von 90.1 KBPK aus dem Autoradio.
    Mit diesem wohligen Gedanken und dem sanften Flüstern von drei Schmerztabletten im Blut nickte er ein. Die Anstrengungen der vergangenen vierundzwanzig Stunden forderten ihren Tribut. Aber eigentlich hatte er seinen Entschluss schon längst gefasst. Er würde noch tun, was er tun musste, und dann adios !
    L.A. rief nach ihm. Mutter aus Stahl und Beton.

41. Kapitel

    2009, Moose Lake, Cedar Creek Lodge

    Nachdem er am Nachmittag im verwaisten Restaurant ein verspätetes Mittagessen zu sich genommen hatte, machte Ondragon sich daran, seinen Abgang vorzubereiten. Bei Sheila fragte er nach Kateri. Er wollte Miss Wolfe noch einmal zur Rede stellen, bevor er zum Finale schritt. Doch Sheila blickte ihn nur feindselig an und behauptete, sie wüsste nicht, wo Kateri stecke. Ondragon lehnte sich über den Tresen, ganz nah an die Rezeptionistin heran, und sah sie an.

Weitere Kostenlose Bücher