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Ondragon - Menschenhunger

Ondragon - Menschenhunger

Titel: Ondragon - Menschenhunger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strohmeyer Anette
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gemeinsam in die Hölle fahren!
    Doch er konnte nichts Ungewöhnliches im Dunklen entdecken. Der Schnee reflektierte genug Licht vom bewölkten Himmel, um die schlafenden Soldaten als dunkle Haufen rund um das erloschene Lagerfeuer erkennen zu lassen. Im Hintergrund standen die Pferde, abgesattelt und angebunden an die weißleuchtenden Birkenstämme. Die Tiere waren ruhig.
    Lacroix entspannte sich wieder. Die Pferde würden es als erstes wittern, wenn sich ein wildes Geschöpf nähern würde. Parker musste also etwas anderes gesehen haben. Vielleicht ein Trugbild aus seinen Fieberträumen. Er wandte sich wieder an seinen Freund. Der lag jetzt mit geschlossenen Lidern da und atmete schwer. Lacroix fühlte seine Stirn. Sie war kalt. Two-Elk hatte erzählt, dass das Fieber des Wendigo nicht wie ein normales Fieber brannte. Es ließ einen Menschen langsam zu Eis werden. Der Betroffene litt fürchterliche Hitze, während sein Inneres allmählich gefror und für äußere Kälte unempfindlich wurde. Parker brauchte also dringend Wärme, wenn er jemals dieser düstereren Verdammnis entkommen wollte, die ihn zu einem Geschöpf des Waldes machen wollte. Lacroix hoffte, dass die Soldaten im Fort ordentlich einheizten, sonst wäre sein Freund verloren. Sorgsam zog er Parker die Decke über den Kopf und legte sich selbst wieder schlafen.

    Am nächsten Morgen wurde Lacroix von lautem Gebrüll aus dem Schlaf gerissen. Es war der verdiente Anranzer, den der wachhabende Soldat von Lieutenant Stafford erhielt, weil er eingeschlafen war und das Feuer hatte ausgehen lassen. Mühsam erhob sich Lacroix und ging zum Pinkeln ein paar Schritte in den Wald hinaus.
    Als er seinen Hosenbund wieder schloss, fiel sein Blick auf eine frische Fährte, die ein paar Schritte weiter durch den Schnee verlief. Er erstarrte.
    Die Spur war ihm nur allzu bekannt!
    Tabernac !
    Lacroix wandte sich um und verfolgte die Fährte. Sie führte direkt zu Parkers Lager.

17. Kapitel

    2009, Moose Lake, Cedar Creek Lodge

    Dr. Arthur empfing ihn wie üblich: fester Händedruck, joviales Buffalo-Bill-Lächeln, goldgelber Blick. Er erwähnte Ondragons Zeugenschaft im Fall des Toten im Wald mit keiner Silbe und nachdem sie ein wenig über das Wetter geplaudert hatten, erklärte er, dass er heute die erste Hypnose-Sitzung abhalten wollte. Ondragon willigte ein und wurde zu einer bequemen Liege geleitet, auf der sich niederlegte. Dr. Arthur setzte sich in einen Sessel daneben und nahm Stift und Notizblock zur Hand.
    „So, Paul, wir wollen nun mit Hilfe der Hypnose zurück in ihre Vergangenheit reisen, um den Zeitpunkt zu finden, an dem Ihre Angst begonnen hat. Schließen Sie Ihre Augen, entspannen Sie sich und denken Sie an die Farbe, Sie wissen schon welche.“
    Ondragon tat, wie ihm geheißen, spürte jedoch plötzlich Unruhe aufkommen. Er war noch nie hypnotisiert worden und fürchtete, Dr. Arthur könnte nicht nur unerfreuliche Dinge aus seiner Kindheit zu Tage fördern, sondern auch dunkle Geheimnisse seines Jobs. Und als hätte der Therapeut bereits Zugang zu seinen Gedanken, sagte er: „Ihre Sorge ist unbegründet, Paul. Alles, was Sie sagen, bleibt in diesem Raum. Genau wie Sie bin auch ich an höchste Diskretion gebunden.“ Ein Lächeln schwang in seiner Stimme mit.
    Ondragon gab sich Mühe und entspannte sich. Vor seinem inneren Auge erschien allmählich die Farbe seiner Angst. Tannengrün.
    „So ist es gut“, hörte er das sonore Murmeln Dr. Arthurs. „Ich zähle jetzt bis drei, und bei drei gehen Sie an den Ort, an dem Ihre Angst begann. Es wird nicht weh tun, die Hypnose wird Sie schützen, sie ist wie ein Raum aus Watte, von dem aus Sie alles behütet beobachten können. Machen Sie sich bereit. Eins … zwei … drei ...“
    Erstaunt sah Paul an sich hinunter. Er war wieder zehn Jahre alt und trug eine schwarze Bundfaltenhose, ein weißes Hemd und einen tannengrünen Pullunder mit einem Wappen darauf - seine Schuluniform. Er hasste dieses Kleidungsstück. Es war Mittag, die Sonne schrie schrill vom smoggelben Himmel hinab durch das Fenster und warf einen scharfen Schatten neben ihn an die Wand, leise flüsterte die Klimaanlage ihren kalten Hauch in seinen Nacken. Er befand sich in der Bibliothek seines Vaters im Haus der deutschen Botschaft, die Tür war geschlossen und der Schlüssel steckte von außen - wie so oft, wenn Herr Botschafter Siegfried Ondragon ihn bestrafte. Draußen vor dem vergitterten Fenster rauschte der Straßenlärm von Kairo, ein

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