Ondragon: Nullpunkt: Mystery-Thriller (German Edition)
schlauer, als er angenommen hatte, und ihn überkam das Gefühl, dass er den hartnäckigen Deutschen und seine Geheimdienst-Entourage noch lange nicht los war. Vermutlich war er jetzt erst recht hinter ihm her, weil er die Sache mit dem Angriff auf seine Assistentin auf eine persönliche Ebene gezogen hatte. Auch darüber würde sein Auftraggeber nicht sonderlich erfreut sein, obwohl sie ihm keine andere Möglichkeit gelassen hatten. Trotz dieses Gedankens fühlte sich Clandestin einigermaßen sicher. Er wusste, dass seine Verfolger niemals herausfinden würden, wohin er unterwegs war. Das war sein Trumpf. Yaqub würde verstehen, warum er so gehandelt hatte.
Um sich zu beruhigen, versuchte Clandestin sich auf die Gerüche in der Kabine zu konzentrieren. Es roch nach Schweröl, Rost und altem Männerschweiß, aber dahinter verbargen sich auch die viel zarteren Nuancen von Meersalz, Algen und den Bestandteilen der Schiffsfarbe. Clandestin dachte an Yaqub. Seinen Mentor und Meister. Damals war Yaqub noch derjenige gewesen, der viel unterwegs gewesen war. Heute reiste er selber in der Welt umher. Ein seltsames Gefühl, wenn man zuvor so viele Jahre in der Abgeschiedenheit verbracht hatte. Die Welt war beängstigend groß, aber auch voller Wunder. Dennoch freute sich Clandestin jedes Mal darauf, wieder nach Hause zu kommen – in seine kleine Kammer, fern vom Trubel.
Er spürte, wie sein Herzschlag sich allmählich beruhigte und sich dem dumpfen Pochen der Antriebswelle des Schiffes anpasste. Und bald schlug es so langsam, dass er sich selbst in den Schlaf lullte.
Doch wenig später schreckte Clandestin wieder auf und tastete suchend nach dem Schatz. Erleichtert ließ er seinen Kopf zurück auf das muffige Kissen fallen. Der Schatz war noch da und schmiegte sich in der Bauchbinde gegen seine Haut. Er würde ihn nicht eher aus der Hand geben, bis er bei Yaqub angekommen war, das hatte er bei seinem Blute geschworen. Und er pflegte seine Schwüre einzuhalten, deshalb war er auch Yaqubs bester Mann!
Hüter des Heiligen Grals.
34. Kapitel
25. Mai 2011
Fortaleza, Brasilien 3.10 Uhr
Der Öltanker mit dem Unbekannten an Bord war längst in internationalen Gewässern, als Ondragon im Krankenhaus von Fortaleza vor einer Milchglastür mit der Aufschrift Entrada proibida hockte. Ihm gegenüber saß Kubicki, der einen tadellosen grauen Anzug mit Krawatte trug und Kaffee aus einem Pappbecher trank. Das Neonlicht auf dem Gang spiegelte sich in seinen runden Brillengläsern und ließ ihn blass und müde wirken.
Ondragon blickte auf die Uhr, wie er es schon vor einer Minute getan hatte. Und der Minute davor. Wann bekamen sie endlich Bescheid? Ungeduldig sprang er von seinem Platz auf und lief durch den Gang. Mit reglosem Gesichtsausdruck schlürfte Kubicki weiter seinen Kaffee. Seit Charlize vor einer halben Ewigkeit ins Hospital eingeliefert worden war, hatten sie nichts mehr von ihr gehört. Sie hatte viel Blut verloren und die Ärzte hatten versucht, sie zu stabilisieren. Wäre Ondragon religiös gewesen, so hätte er jetzt ein stilles Gebet gen Himmel gesandt, doch leider glaubte er nicht an den Lieben Gott, nur an den Zufall des Augenblicks und die Tatkraft seiner eigenen Hände. Was würde er tun, wenn Charlize starb?
Plötzlich ertönten Schritte auf dem Gang und erwartungsvoll fuhr Ondragon herum. Aber es war nur Agent Steiner, der sich ebenfalls einen Kaffee geholt hatte. Matt ließ er sich neben Kubicki auf einen Stuhl sacken.
Ondragon wandte sich von den beiden Agenten ab und tigerte weiter den Gang entlang. Von irgendwo her piepte es leise und er sah, wie Kubicki auf sein Handy blickte. Danach stand der BND-Mann auf und ging nach draußen, bevor ihm jemand vom Krankenhauspersonal einen bösen Blick zuwerfen konnte. Nach einer ganzen Weile – der Zeiger der Uhr war inzwischen auf 3.40 Uhr vorgerückt – kam Kubicki wieder. Seine Miene hatte sich deutlich aufgehellt und er winkte Ondragon und Steiner zu sich.
„Ich habe gerade erfahren, dass die Satellitenverbindung steht. Wir haben den Tanker im Visier, mit Infrarot und Radar. Wir können also auch nächtliche Aktivitäten beobachten, falls es welche gibt. Momentan scheint an Bord alles ruhig zu sein.“
Die meisten Menschen dachten, dass es unmöglich sei, über Satellit ein sich bewegendes Objekt von der Größe eines Fahrzeuges oder eines Menschen zu verfolgen. Das stimmte auch, sofern man die Überwachung mit orbitalen Satelliten durchführte, die in
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