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Ondragon: Nullpunkt: Mystery-Thriller (German Edition)

Ondragon: Nullpunkt: Mystery-Thriller (German Edition)

Titel: Ondragon: Nullpunkt: Mystery-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anette Strohmeyer
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zu polieren. Dafür benötigt er jeweils eine Serviette pro Gang. Isst er also eine Suppe, einen Hauptgang und eine Nachspeise, so braucht er schon allein für das Besteck drei makellos saubere Servietten. Mit den Gläsern und dem Porzellan verfährt er genauso. Außerdem darf kein Obst auf dem Tisch stehen, das hält er für unrein. Seine Speisen müssen stets auf das Gramm genau abgewogen werden. Ist dem nicht so, sieht er das sofort mit einem einzigen Blick und lässt das Gericht zurückgehen. Er selbst behauptet sogar, dass er seit Jahren das gleiche Körpergewicht hat. Exakt 141 Pfund! Ist das nicht erstaunlich?“
    „Ja, das ist es“, entgegnete Philemon. „Pflegt er denn auch hier im Hotel zu speisen?“
    Löwenstein nickte und ruckte mit dem Kopf in Richtung eines Tisches, der komplett mit Paravents umstellt war. „Wenn er isst, dann dort, abgeschottet von allen anderen Gästen.“
    „Aber wenn er solche Angst vor Keimen und Krankheiten hat, warum speist er dann nicht auf seinem Zimmer?“
    Löwenstein hob die Schultern. „Keine Ahnung. Es ist ein Spleen von ihm. Vielleicht will er den Kontakt zu den Menschen nicht ganz verlieren, und dies ist seine Art des Kompromisses. Aber fällt Ihnen an seinem Tisch nicht noch etwas auf?“
    Philemon sah zu dem abgeschirmten Platz hinüber. „Nein“, sagte er.
    Löwenstein lächelte milde. „Dort sind drei Paravents aufgestellt und drei Kerzenhalter befinden sich auf dem Tisch. Drei Stühle stehen darum herum. Die Zahl der Servietten muss immer durch drei teilbar sein. Und 141 durch drei ergibt, na? 47, genau! Eine Primzahl.“
    „Sie meinen, der Doktor ist besessen von Zahlen?“
    „Von der Drei, um genau zu sein“, sagte Löwenstein. „Und von Primzahlen. Aber besessen wäre ein viel zu unhöfliches Wort für einen Mann von solcher Einzigartigkeit, dessen Geist so viele Sphären über uns schwebt, dass es uns Jahrhunderte kosten würde, um auch nur einen Bruchteil von der Kraft seiner Visionen zu erlangen. Deshalb bevorzuge ich stets gemäßigte Ausdrücke, wenn ich über ihn rede. Das sollten Sie auch tun, Phil.“
    Ein freundlich verpackter Tadel, dachte Philemon und sah Löwenstein an. Der Deutsche hatte freilich recht. Für Dr. Tesla galten andere Maßstäbe. Und Worte waren viel zu trivial, um das zu beschreiben, was er tatsächlich war. Derlei Begrifflichkeiten mussten erst noch erfunden werden, um dem Mann gerecht zu werden. „Der Doktor ist gewiss außergewöhnlich“, sagte er ehrfurchtsvoll. „Und ich schätze mich glücklich, für ihn zu arbeiten.“
    „Das können Sie auch, mein Freund. Ah, da ist er ja! Er hat sein Labor verlassen!“
    Philemon folgte Löwensteins Blick und sah die hochgewachsene Gestalt des Doktors am Eingang des Salons stehen. Auch die anderen Gäste wandten ihre Köpfe und sahen den späten Besucher mit unverhohlener Neugier an. Mit auf den Rücken gelegten Händen wartete Dr. Tesla darauf, zu seinem Tisch geführt zu werden. Sein Gesicht wirkte blass, die Haut über den Wangenknochen durchscheinend wie Pergamentpapier. Er erzeugte den Eindruck, als arbeite und lebe er in einer Höhle – ein Geschöpf, dessen Zuhause das Zwielicht war.
    Höflich nickte Dr. Tesla seinen Assistenten zu, als er vom Maître zu seinem Tisch geleitet wurde. Dort nahm er hinter den Paravents Platz. Kurz darauf war es nur noch sein hagerer Schatten, der durch den Stoff des Sichtschutzes zu ihnen hinüber in die wirkliche Welt drang, und das leise Klirren von Besteck.

13. Kapitel

    22. Mai 2011 Fortaleza, Brasilien 15.02 Uhr

    Es war bereits Nachmittag und Ondragon hockte erneut auf seinem Beobachtungsposten in dem verfallenen Gebäude am Hafen. Mit dem Laptop auf den Knien verfolgte er aufmerksam die Kameraübertagung von Charlizes Spionagebrille. Er musste sich den Weg zum Labor, den Grundriss und die Sicherheitsvorkehrungen auf dem Areal gut einprägen, damit er sich dort später im Einsatz blind zurechtfand. Ritter und Steiner war es derweil gelungen, die Kameraverbindung mit Hilfe eines zwischengeschalteten Verstärkers, den Charlize mit Klebestreifen unauffällig unter einen Tisch im Labor geheftet hatte, wieder herzustellen.
    Möglich, dass der Ausfall am Vortag tatsächlich auf eine störende Interferenz zurückzuführen war, dachte Ondragon. Wie auch immer es sich verhielt, wenigstens hatte er jetzt wieder ein Bild. Nebenbei lauschte er der Stimme von Ritter, die Charlize beharrlich Anweisungen erteilte. Die BND-Agentin hatte am Morgen

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