Ondragon: Nullpunkt: Mystery-Thriller (German Edition)
los mit euch? Ihr solltet sie doch nicht überfahren!“
„Das waren wir nicht, Chef“, antwortete Charlize mit nüchterner Stimme. „Wir sitzen noch immer hier im Auto!“
18. Kapitel
23. Mai 2011 Fortaleza, Brasilien 04.05 Uhr
Clandestin schaltete in den dritten Gang und bretterte über die menschenleere Avenida Beira Mar in Richtung Westen. Der Corolla war Schrott, aber das machte nichts, schließlich war seine kleine surprise gelungen!
Ein breites Grinsen bemächtigte sich seiner Gesichtszüge. Der fabelhafte Mr. O dürfte in diesem Moment ziemlich überrascht sein. Äußerst unangenehm überrascht sogar! Der Deutsche hatte gute Arbeit geleistet und den Schatz direkt zu ihm gebracht. Clandestin hatte nichts weiter tun müssen, als zuzugreifen und ihn wie eine reife Frucht zu pflücken. Tja, so lief das im Leben: Mal machte man eine bonne affaire und mal war man selber eine. Heute jedenfalls war er es, der das gute Geschäft abgeschlossen hatte. C‘est la vie , Mr. Ondragon.
Clandestin sah, wie ihm ein Polizeiwagen mit Blaulicht entgegenkam, und fuhr etwas langsamer, damit die Bullen nicht auf ihn aufmerksam wurden. Die gesprungene Frontscheibe hatte er bereits einen Abzweig vorher herausgedrückt, so dass ihm jetzt der warme Fahrtwind ins Gesicht blies. Die Schießerei auf dem Parkplatz am Strand dürfte sich mittlerweile herumgesprochen und der Einbruch in das Labor sämtliche Polizisten von Fortaleza auf den Plan gerufen haben. Höchste Zeit, die Schrottkiste loszuwerden.
Er bog in eine schmale Seitenstraße ein und fuhr tiefer in die unbeleuchtete Favela. Dabei waren all seine Sinne kristallklar. Er fühlte das harte Lenkrad in seinen Fingern und das Stampfen des Automotors in seinem Unterleib. Noch immer floss die dunkle Kraft jenes machtvollen Augenblicks durch seine Adern. Jenes Augenblicks, in dem er die Agentin überfahren hatte. Clandestin erschauerte unwillkürlich. Es war doch ein notwendiges Übel gewesen, oder nicht? Seine Unsicherheit wuchs. Sein Auftraggeber würde es ihm doch hoffentlich verzeihen?
Er warf einen Blick auf den Beifahrersitz. Ja, das würde er, wenn er sah, was er mitbrachte. Den Schatz!
Clandestin hörte ein leises Wispern aus der Kiste dringen.
Stimmen aus der Vergangenheit. Stimmen, die lange verstummt waren. Und es war sein Job, sie wieder zum Schweigen zu bringen.
19. Kapitel
30. Juli 1899 Colorado Springs morgens im Labor
„Ich habe gehört, Sie machen sich Sorgen, Mr. Ailey.“ Dr. Tesla bedeutete ihm, in die kleine Kammer zu kommen, und bot ihm einem zweiten Stuhl an, der an seinem Arbeitstisch stand. Philemon setzte sich und legte seine Hände in den Schoß.
„Nun?“, fragte der Doktor fordernd. „Was haben Sie auf dem Herzen?“
Der junge Assistent senkte scheu den Blick. „Es ist so, Dr. Tesla, ich mache mir in der Tat gewisse … Gedanken.“
„Über Mr. Myers und seinen Verbleib?“
Schlagartig fiel Philemon das Gespräch mit Joe Herkimer wieder ein und der angebliche Koffer von Myers in der Abstellkammer des Hotels. Noch hatte er es nicht geschafft, Herkimers Behauptung zu überprüfen, zu müde war er nach den langen Arbeitstagen gewesen. Aber woher wusste Dr. Tesla, dass ihn das beschäftigte?
„Frederick Myers ist ein sehr begabter junger Ingenieur“, sagte Tesla, als habe er seine Gedanken gelesen, „Yale-Absolvent, so wie Sie. Er war mit meiner Arbeit sehr vertraut und uns in den wenigen Wochen, die er hier für uns gearbeitet hat, eine große Hilfe. Leider hat eine schwere Krankheit seiner Mutter ihn zurück nach Boston gerufen, so dass ich ihn aus meinen Diensten entlassen und mich nach einem Ersatz für ihn umsehen musste. Das brachte Sie hierher, Mr. Ailey, nachdem man Sie mir wärmstens empfohlen hatte. Gibt es an dieser Prozedur etwas zu argwöhnen?“ Tesla sah ihn ruhig an, doch Philemon entdeckte in seinem Blick trotzdem einen verhaltenen Vorwurf.
„Ich bitte um Verzeihung“, entschuldigte er sich, „ich wollte Sie nicht verärgern! Nichts liegt mir ferner!“
Tesla lächelte nachsichtig und sein Tonfall wurde wieder milder. „Ich erzähle Ihnen jetzt etwas, Mr. Ailey. Nennen Sie es eine Anekdote oder einen gutgemeinten Rat. Ich bin ein Mann, der viel erreicht hat, der von den Industriemagnaten dieser Welt umworben und geschmeichelt wurde und der unwillentlich zu Ruhm und Ehre gelangt ist, obwohl er nichts anderes getan hat, als seinem angeborenen Instinkt zu folgen. Ich habe immer nur um des Forschens willen
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