Ondragon: Nullpunkt: Mystery-Thriller (German Edition)
Tick, tock. Du wirst älter und älter und älter. Na gut, dachte sich Ondragon schließlich. Wenn ich hier schon älter werde, dann kann ich das auch im Schlaf tun. Außerdem übersteht man ein Verhör wesentlich besser, wenn man ausgeruht ist. Er verschränkte die Arme vor der Brust, ließ den Kopf nach vorne sacken und gab seiner Müdigkeit nach.
Seine selbst im Schlaf ausgefahrenen Antennen nahmen eine Veränderung wahr und weckten ihn. Schnell setzte sich Ondragon auf. Er konnte es spüren, es war kühler geworden. Jemand hatte die Klimaanlage eingeschaltet. Er sah auf die Uhr und stellte fest, dass er ganze zwei Stunden geschlafen hatte. Energisch schüttelte er den Kopf und stieß Luft aus, um seine Gedanken klar zu bekommen. Da öffnete sich auch schon die Tür und ein Mann mit Nickelbrille kam herein. Er sah aus wie jemand, der niemals Spaß hatte, war abgemagert wie eine Vogelscheuche und hatte ein pockennarbiges, verbissenes Gesicht. Zu allem unsympathischen Überfluss bildeten seine strohigen, grauen Haare eine exakte Kopie zu Andy Warhols Rundum-Pottschnitt. Als der Mann zu sprechen begann, erkannte Ondragon ihn wieder. Diesen arrogant näselnden Tonfall würde er so schnell nicht vergessen.
„Verzeihen Sie, dass Sie so lange warten mussten“, entschuldigte sich der hagere BND-Agent. Es klang eher lakonisch als zerknirscht. „Ich hoffe, es hat Ihnen keine Umstände bereitet. Mein Name ist Alexander Kubicki. Wir haben vor ein paar Tagen miteinander telefoniert. Ich habe Sie, wenn man so sagen darf, engagiert.“ Er knöpfte sein Sakko auf und setzte sich ihm gegenüber an den Tisch, ohne ihm die Hand zu geben.
Ondragon ignorierte den Mangel an guter Erziehung und den herablassenden Blick des BND-Führungsoffiziers und griff wortlos zu der Wasserflasche. In einem Zug trank er sie aus. Dann knallte er das leere Plastikgefäß auf den Tisch. „Ich will mein Handy!“, sagte er schroff.
Kubicki lächelte dünn. „Das bekommen Sie, wenn wir hier fertig sind.“
„Aha. Das heißt also, Sie halten mich hier fest.“
„Das heißt, dass Sie vorläufig unser Gast sind, bis wir entschieden haben, was wir mit Ihnen machen.“
Ondragon holte tief Luft und wollte protestieren, doch Kubicki kam ihm zuvor. „Jetzt machen Sie hier bloß nicht einen auf ‚ich bin ein freier Bürger und habe Rechte‘! Das wird Ihnen nichts nützen. Sie befinden sich hier als Deutscher unter der Jurisdiktion Deutschlands. Also besinnen Sie sich auf das, was Sie sagen, und kooperieren Sie mit uns, umso schneller dürfen Sie dieses Gebäude wieder verlassen!“
Nun, das war deutlich, dachte Ondragon. Er saß hier fest. So viel zu seinem deutschen Pass. Schöne Scheiße. Vielleicht sollte er demnächst doch offiziell die amerikanische Staatsbürgerschaft beantragen.
Da er unter diesen Umständen nicht gewillt war, mit Mr. Oberwichtig zu plaudern, verschränkte er einfach seine Arme und sah gleichgültig an dem Mann vorbei auf die Uhr. Weitere Lebenszeit verstrich.
Kubicki lächelte bedächtig, so als schien er zu wissen, was im Kopf seines Gegenübers vor sich ging. Er lehnte sich vor und begann in einem ekelhaft vertraulichen Tonfall zu sprechen: „Hilft es Ihnen vielleicht, wenn ich Ihnen sage, dass ich der Leiter der Operation Pandora bin und Ihnen die Einsicht in Ihre Akte verweigern kann.“
Ondragon wusste, dass die BND-Bohnenstange ihn bloß provozieren wollte und blieb ruhig, auch wenn es ihm schwerfiel. „Mein Auftrag war erfolgreich“, sagte er kalt. „Pandora befand sich in den Händen Ihrer Agentin. Dass Sie angegriffen und ihr die Kiste entrissen wurde, ist nicht mein Verschulden. Die Einsicht in meine Akte war eine Vereinbarung und wenn Sie mir dies nun verweigern, ist das Vertragsbruch!“
„Eines mündlichen Vertrages wohlgemerkt“, entgegnete Kubicki mit einem selbstsicheren Gesichtsausdruck.
Ondragon senkte seine Stimme. „Gehen Sie immer so leichtfertig mit Ihren Vertragspartnern um? An Ihrer Stelle wäre ich vorsichtig, sonst spricht sich ihre Praxis schnell herum, und dann wird keiner mehr auch nur einen Finger für Sie krumm machen.“ Er wusste natürlich, dass ein Nachrichtdienst, egal welcher Nation, auf externe Mitarbeiter angewiesen war. Und wenn diese Quellen versiegten, standen sie buchstäblich auf dem Trockenen.
„Das lassen Sie mal unsere Sorge sein, Mr. O“, entgegnete Kubicki unbekümmert, „alles, was ich von Ihnen wissen will, ist, wer da in die Übergabe geplatzt ist? Und wo
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